NASA pleite, ESA verzweifelt: Jetzt soll Russland die 2016-er Hälfte von ExoMars retten

Der erhoffte Brief von der NASA („ExoMars-Missionen …“) ist im September nicht gekommen, und auch ein Gipfeltreffen der Chefs von ESA und NASA am 3. Oktober brachte nicht den Durchbruch: Die NASA kann (bzw. das weisunggebende Office of Management and Budget des Weißen Hauses will) keine Atlas 5 mehr für den Start des 2016-er ESA-Marsorbiters beisteuern, wie es die gemeinsamen Marspläne von 2009 („Grünes Licht …“) eigentlich vorsahen. Damit gab es für die ESA nur drei Möglichkeiten: irgendwo 150 Mio. Euro für eine Ariane 5 zusammen zu kratzen (ziemlich aussichtslos), auf den Satelliten komplett zu verzichten (extrem unerfreulich und voller übler Konsequenzen) – oder aber einen dritten Partner ins Boot zu holen. Und genau das hat ESA-Chef Dordain jetzt getan: An die russische Weltraumbehörde Roskosmos ist eine offizielle Einladung geschickt worden, dem ESA-Orbiter doch bitte einen Proton-Start zu spendieren, im Austausch für den Mitflug eigener Experimente und/oder Technologie. Und zwar eher auf dem Rover denn auf dem Orbiter, dessen Design schon praktisch fest steht und der dringend gebaut werden muss, um das Startfenster 2016 zu schaffen.

Bis kommenden Februar soll Klarheit herrschen, ob Russland tatsächlich als dritter vollwertiger Partner bei ExoMars einsteigt: Noch sind auch die USA ein solcher, mit einer Art von Garantie (so hat es Dordain jedenfalls verstanden), dass sie wesentliche Komponenten des 2018-er Rovers samt Start und Landetechnik beisteuern („Keine ESA-Landeübung …“). Sollte der Deal mit Russland scheitern, bliebe der ESA nur die Streichung des 2016-er Trace Gas Orbiters, was zahlreiche unbequeme Folgen hätte. Zum einen wäre die ganze wissenschaftliche Nutzlast – zur Erforschung von Spurengasen, insbesondere des mysteriösen Methans – in der Marsatmosphäre heimatlos, zum anderen müsste die Funkrelais-Technik für den 2018-er Rover in dessen eigene Cruise Stage umziehen, die dann im Orbit bleiben müsste. Und das komplizierte Geflecht von europäischen Industrieaufträgen und den finanziellen Beiträgen einzelner ESA-Mitglieder zu dem – freiwilligen! – ExoMars-Projekt geriete in eine solche Schieflage, dass neu verhandelt werden müsste und einzelne Länder samt ihrer Euros auch wieder aussteigen könnten. Es bleibt spannend …

Nature News, BBC, Planetary Society Blog 14., Space News 13., KosmoLogs 5., AW&ST 4.10., Space News 30.9.2011. Auch umfangreiche Seiten der ESA und Updates von Russian Space Web sowie Planetary Society Blog 14. und Universe Today 15. und 13.10.2011 zum nun für den 7. November geplanten Start der russischen Mars-Mond-Sample-Return-Mission Fobos-Grunt. Der entgegen anhaltenden Gerüchten nun tatsächlich – zusammen mit dem chinesischen Mondorbiter Yinghou-1 – im 2011-er Startfenster stattfinden und damit das russische Marsprogramm 15 Jahre nach dem letzten (Fehl-)Start wieder aufnehmen soll

Die Karbonate in ALH84001 wuchsen auf einem feuchten Mars bei 18°C, hat eine komplizierte Isotopenanalyse des Innenlebens des berühmt-berüchtigten ältesten Marsmeteoriten jetzt ergeben: Zumindest an einem Ort und für kurze Zeit muss der Mars – vor rund 4 Milliarden Jahren – ein geradezu gesundes Klima gehabt haben. Wie weit man diese Erkenntnis allerdings auf den gesamten Planeten und einen längeren Zeitraum ausdehnen kann, ist alles andere als klar. (Caltech Press Release 12., Space.com 3.10.2011. Und ESA Release 29.9.2011 zu überraschend viel Wasserdampf in der Marsatmosphäre, den SPICAM auf dem Mars Express entdeckt hat)

Kritisches Bahnmanöver von Akatsuki im November

Nachdem sich das Haupttriebwerk der unglücklichen japanischen Venussonde bei Tests im September als zu stark beschädigt erwiesen und nur 1/9 des erhofften Schubs geliefert hat, ruht jetzt alle Hoffnung auf den kleinen Düsen des Systems für die Lageregelung: Mit denen wird Anfang November ein erstes Bahnmanöver versucht, das zu einer erneuten Annäherung an die Venus im Jahre 2015 führen soll. Wie schon bei Hayabusa geben die Japaner so schnell nicht auf … (Planet C Update 30.9.2011. Auch EPSC Release 6.10.2011 zur Entdeckung einer dünnen Ozonschicht und NASA Release 27.9.2011 zur Dynamik der Meso- und Thermosphäre der Venus, beides vom Venus Express)

Die GRAIL-Satelliten gehen jetzt getrennte Wege

Bahnmanöver von GRAIL A und B am 30. September und 5. Oktober haben dazu geführt, dass die beiden Sonden nun leicht unterschiedliche Bahnen eingenommen haben und mit einem Tag Abstand den Mond erreichen werden. Die lange Reise hat den Vorteil, dass das einzige Instrument auf beiden künftigen Orbitern, der Ultra Stable Oscillator, in aller Ruhe eine stabile Arbeitstemperatur einnehmen kann, und auch das Testen der Satelliten selbst kann in aller Ruhe durchgeführt werden. (NASA Release 6.10.2011)

Die Titan-Vorkommen auf der Mondoberfläche kartiert hat der Lunar Reconnaissance Orbiter mit seiner Weitwinkel-Kamera: Das Verhältnis von Reflektivität im UV und Sichtbaren verrät nämlich den Titangehalt des Bodens, der in irdischem Gestein 1% selten übersteigt. Auf dem Mond hingegen schwankt er in den Maria zwischen einem und knapp über 10%, während er in den Hochländern unter 1% liegt. (EPSC Release 7.10.2011)

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3 Antworten to “NASA pleite, ESA verzweifelt: Jetzt soll Russland die 2016-er Hälfte von ExoMars retten”

  1. Neuer offizieller JWST-Preis: 8.84 Mrd. Dollar … « Skyweek Zwei Punkt Null Says:

    […] Klingt ein „attempt to find a solution that will enable a return to normal operations“ eher beruhigend oder bedrohlich, wenn es um den europäischen Marsorbiter geht, der seit Monaten unter Störungen seines Bordspeichers und immer neuen Safe Modes leidet? Das wissenschaftliche Programm ist jetzt erst einmal unterbrochen, während Experten von der ESA und auswärts nach einer Lösung suchen: Bei jedem neuerlichen Safe Mode wird viel Treibstoff verschwendet, weil sich der Orbiter dabei aktiv in eine günstige Position zur Sonne dreht. Das Problem liegt im Schreiben ins und Lesen aus dem Solid-State Mass Memory, die Lösung vermutlich in einer Änderung der Prozedur, wie der Orbiter Kommandos von der Erde erhält – und das Ziel ist jetzt „at least partial resumption of science operations“, die später „should evolve into a long-term solution“. Wichtige Tests der neuen Betriebsart stehen nun bevor. (ESA Release 31.10.2011. Auch Russian SpaceWeb, TASS 25.10., Discovery 2.11.2011 mit der Nacht 8./9. November gegen 21:16 MEZ als Startzeitpunkt für Fobos-Grunt und Novosti 18.10.2011 zu prinzipiellem Interesse russischer Planetenforscher, bei ExoMars einzusteigen) […]

  2. Nachrichten aus dem Sonnensystem kompakt « Skyweek Zwei Punkt Null Says:

    […] eine Bahnänderung mit dem Reaction Control System der angeschlagenen japanischen Venus-Sonde, das im November 3x gezündet wurde („Kritisches Bahnmanöver …“): Damit bleibt es weiterhin im Prinzip […]

  3. Allgemeines Live-Blog ab dem 14. März 2022 | Skyweek Zwei Punkt Null Says:

    […] wurde; die Amerikaner hatten einst mit ihren Rückzug aus einem gemeinsamen Mars-Programm die ESA zur Kollaboration mit Russland veranlasst. Ein großer Umbau der Mission würde natürlich die Kosten weiter enorm steigern […]

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