Nachrichten aus der Raumfahrt kompakt

300 Mio.$ weniger für die NASA 2011 als letztes Jahr

sieht ein Plan des Hous Appropriations Committee vor, der – im Rahmen weitreichender Sparmaßnahmen – der Weltraumbehörde im (längst laufenden) Finanzjahr 578 Mio.$ weniger als in Obamas FY2011 Budget Request und damit 303 Mio.$ weniger als im FY2010 geben würde. Wo gespart werden soll, wird nur allgemein genannt: Am stärksten leiden sollen Exploration und Wissenschaft. Immerhin würde die NASA endlich von entbunden, sinnlos weiter Geld für Constellation auszugeben („Continuing …“) und kann stattdessen in eine Schwerlastrakete und Raumkapsel investieren. Und die NASA muss sich von China fernhalten … (Space Politics, Space News 12.2.2011. Auch NASA Spaceflight und Spaceflight Now zu vagen Plänen für das ultimative Foto der ISS und ein ESA Release über den Blick aus der ISS) NACHTRAG: weitere Einzelheiten zu den o.g. Kürzungs- und Politik-Plänen – die natürlich nicht nur die NASA sondern alle Bereiche der Wissenschaft betreffen.

Privat-Raumfahrer hoffen weiter auf NASA-Kohle: Auch wenn es bei weitem nicht so viel Förderung für Privatfirmen, die in der bemannten Raumfahrt mitmischen wollen, geben wird wie von Obama gewünscht – viele hoffen immer noch auf entscheidende Unterstützung im Rahmen von CCDev 2 („Mindestens 4 Bewerber …“). Etwa Sierra Nevada, die auf der Basis des Uralt-Minishuttle-Projekts HL 20 der NASA ihren Dream Chaser fit machen will. Bald wird das Feld der Bewerber ausgedünnt. (New York Times 31.1.2011)

Amerikanisch-europäische Billigrakete für die bemannte Raumfahrt?

Die Firma ATK, die die Feststoffbooster für den Shuttle baute und auf deren Basis die 1. Stufe der Ares I (die keiner mehr will), und Astrium mit Ariane-Erfahrung haben vorgeschlagen, gemeinsam eine preiswerte Rakete zu entwickeln, die jede Art von künftiger amerikanischer Raumkapsel in den Orbit Richtung ISS schicken könnte – als Alternative zur Atlas V. Die „Liberty“ könne diese – und erst recht die Ares I – locker unterbieten, weil sie auf bewährter Technik basiert: Die 1. Stufe entspräche derjenigen der 2009 erfolgreich getesteten Ares I-X, die 2. würde auf der zweiten der Ariane 5 basieren (während sie für die Ares hätte neu entwickelt werden müssen). Und das Manrating wäre auch kein Problem: Die Shuttle-Booster sind es schon, und die Ariane V war eigentlich mal für den bemannten Einsatz vorgesehen (man erinnere sich an den Hermès) und ist nicht weit davon entfernt. Ein Liberty-Start soll für unter 180 Mio.$ machbar sein; wenn die Firmen NASA-Mittel aus dem CCDev-2-Topf abgreifen können, wäre ein Testflug vielleicht schon 2013 denkbar. (ATK Release, New York Times, Space Today 8.2.2011)

Testflug der Taurus 2 weiter unklar: Wegen der unklaren finanziellen Zukunft der NASA (s.o.) ist weiter nicht sicher, ob es einen Test der Taurus-2-Rakete („Erster Start …“) vor dem ersten Flug direkt zur ISS geben kann. Der würde u.a. die Leistung der Rakete genauer charakterisieren, so dass u.U. mehr Nutzlast zur ISS gebracht werden könnte. Der Vorab-Flug würde 100-200 Mio.$ kosten und wäre im Spätsommer möglich. (Spaceflight Now 11.2.2011) NACHTRAG: Der erste Testflug des Hauptkonkurrenten Dragon wird derweil von der NASA ausgewertet – noch ist unklar, ob schon der 2. direkt zur ISS gehen darf. NACHTRAG 2: Das NASA-Geld für den Taurus-Testflug kommt nun doch.

Erste Riesenforschungsmission: ESA vor schwieriger Entscheidung zur Sommensonnenwende

Am 21. Juni muss sich das Science Programme Committee der Europäischen Weltraumbehörde zwischen einem von drei Kandidaten für die erste große Mission („L-Klasse“) des Langzeitplans Cosmic Vision (siehe Artikel C63) entscheiden, die ca. 2022 starten würde: Zur Auswahl stehen ein Flug zum Jupiter und speziell dem Mond Ganymed, der gigantische Röntgensatellit IXO und der Gravitationswellen-Detektor LISA. Allenfalls noch den Ganymed-Flug, keineswegs aber die anderen beiden Projekte, könnte die ESA alleine stemmen: Die NASA und/oder die JAXA wären wesentliche Partner. Und so hat die Entscheidung der ESA starke Auswirkungen auf die Weltraumforschung der anderen, während sie umgekehrt von deren Richtung beeinflusst wird. In Sachen Jupiter haben sich immerhin gerade NASA und ESA koordiniert und die Zielsetzung ihrer „Europa Jupiter System Mission“ (zu der die NASA einen Europa- und die ESA einen Ganymed-Orbiter beisteuern würde) definiert: „the emergence of habitable worlds around gas giants“. Am 7. März erscheint der Decadal Report zur Richtung der US-Planetenforschung: Das – noch unbekannte – Ranking der EJSM darin könnte entscheidend sein. (ESA-Dokumente 3., JPL Release 4.2.2011; Nature News, BBC Blog, Space News, DLF 4., NZZ 2.2.2011)

Zweifel an ESA-Erdbeobachter Earthcare: Drei Earth Explorers hat die ESA bereits im Orbit, aber die Arbeit an Earthcare ist in eine Sackgasse geraten – unter Vakuumbedingungen kontaminiert sich das entscheidende LIDAR-Instrument selbst. Der Sinn der ganzen Mission, die wesentlich teurer zu werden droht, wird jetzt noch einmal hinterfragt. (BBC 24.1.2011. Und ein ESA Release zur Freigabe der Daten des CryoSat)

Japanischer Labortest zur Space Solar Power – und bald ein Satellit?

Riesige Satelliten mit Solarzellen im Orbit, die Energie per Mikrowellenstrahl auf die Erde und in die Stromnetze pumpen, werden seit Jahrzehnten theoretisch diskutiert – aber in einem japanischen Labor wird jetzt der vielleicht kritischste Schritt, die effiziente Umwandlung von elektrischem Strom in Mikrowellen, getestet. Bei Erfolg könnte um 2016 ein Satellitendemonstrator folgen – und ein operationelles System (40 Satelliten à 200 Meter) namens Solarbird um 2025, das mit 1 GW Leistung einem KKW entspräche. (Daily Yomiuri 23.1.2011)

Fortschritte für zwei nationale deutsche Raumfahrtprojekte: Sowohl der Demonstrator für Funktechnik „Heinrich Hertz“ („Deutscher Satellit …“) wie der Rendezvous-Demonstrator „DEOS“ („Dürfen DLR …“) – „Deutsche Orbital Servicing Mission“ – haben erste Studien passiert und werden vorangetrieben, dito der Methan-Satellit Merlin gemeinsam mit Frankreich. (DLR PM 26., AW&ST 28.1., Space News 4.2.2011)

Private Mondfahrer buchen eine Falcon 9

Im Rahmen des Google Lunar X Prize hat Astrobotic Technogy – eine Ausgründung der Carnegie Mellon University – eine Falcon 9 gebucht, die ihren geplanten Rover vielleicht schon Ende 2013 zum Mond befördern könnte. Die Rakete würde sich praktisch nicht von der zweimal erfolgreich gestarteten Version unterscheiden, lediglich die Navigationssoftware müsste für das Verlassen des Erdorbits angepasst werden. Es ist sogar noch Platz für 110 kg zusätzliche Nutzlast: Kundschaft für 1.5 Mio.$/kg (plus 250’000$ Servicegebühr) willkommen! Ist Astrobotic jetzt der Frontrunner des Mondflug-Wettbewerbs? (Astrobotic Release 6., Discovery 7.2.2011. Und YouTube, GXLP Podcast, Golem, EE Times, FR und Spiegel zum deutschen GLXP-Bewerber PTS [„Deutsche Computerfreaks …“])

Space Adventures hat angeblich ein Ticket für eine Mondumkreisung verkauft, für 150 Mio.$ an einem noch geheim gehaltenen Promi – und der zweite freie Sitz in der Soyuz für den Apollo-8-gleichen Stunt ist auch schon fast weg. So hieß es jedenfalls kürzlich auf einer Konferenz in München (wo auch Virgin Galactic verkündete, im ersten Jahr der suborbitalen Touristenflüge – ab 2012 – 500 Passagiere befördern zu wollen; nach New Mexico soll der zweite ‚Bahnhof‘ in Abu Dhabi entstehen). Der bereits 2005 erstmals angekündigte Touristen-Mondflug soll um 2015 stattfinden. (New Space Journal 23., Spaceports 24.1.2011)

Russischer Kartografie-Satellit auf falschem Orbit gelandet

Offenbar weil die Oberstufe Briz-KM einer Rockot bei ihrer zweiten Zündung versagte, landete der überwiegend militärische Geo-IK-2 am 1. Februar auf einer 330×1000-km-Ellipse statt der gewünschten 1000-km-Kreisbahn. Zwar besteht inzwischen Kontakt zu ihm, aber es ist fraglich, ob er in diesem Orbit seine Mission durchführen kann. (AntaraNews, Spaceflight Now, Space.com 1., Space Today, Spiegel 2., Red Orbit 3., Space.com 4.2.2011) NACHTRAG: Der Satellit musste aufgegeben werden.

Bald fliegt der zweite X-37B, der am 4. März – abermals ohne Nennung des Zwecks – auf einer Atlas V abheben soll. Derweil wird das bereits geflogene Exemplar („Der zweite …“) überholt und darf auch noch mal ins All – der Termin ist allerdings offen. (Spaceflight Now 31.1.2011)

„Hundred Year Starship“ auf Meeting kontrovers diskutiert

Im Rahmen der berühmt-berüchtigten Studie von DARPA und NASA („Eine – bescheidene – Studie …“) über den rechten Weg zu einem interstellaren Raumfahrtprojekt gab es im Januar ein erstes Brainstorming – bei dem sehr unterschiedliche Meinungen aufeinander prallten. Geld ausgegeben werden darf nur für die Diskussion über mögliche Organisationsformen für solch ein Projekt, nicht dessen technische Umsetzung – aber schon an der Frage, ob man überhaupt schon am Anfang eine klar umrissene Organisation (mit einem Jahrhundert garantierter Lebensdauer) brauche oder diese sich schon ganz von selbst finden werde, schieden sich die Geister. Und erst recht daran, ob ein interstellares Raumschiff besser von der öffentlichen Hand oder Privatspenden finanziert werden oder aber kommerziell betrieben werden sollte. Und ob Religionsgruppen etwas zu sagen haben sollten. Jetzt „verdauen“ DARPA und NASA erst einmal die Debatte – ob sie zu irgendetwas führen wird, ist völlig offen. So endet auch ein knapper Press Release zum Workshop mit der Feststellung: „The workshop concluded with unanimous acknowledgement that there exist many unanswered questions and a great deal of work ahead …“ (Centauri Dreams 28.1., DARPA Release 9., The Register 10.2.2011) NACHTRAG: noch ein später Bericht.

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10 Antworten to “Nachrichten aus der Raumfahrt kompakt

  1. Einbruch des NASA-Budgets in den kommenden Jahren: Verzögerungen vieler Projekte drohen « Skyweek Zwei Punkt Null Says:

    […] dies ist der „Request“, wohlgemerkt: Was daraus werden kann, sieht man gerade bei der Streichorgie des Kongresses für das laufende Jahr, deren Ausgang noch nicht abzusehen ist. Entsprechend unklar wie selten ist auch, wie realistisch […]

  2. Kometensonde Rosetta nähert sich dem Winterschlaf « Skyweek Zwei Punkt Null Says:

    […] zu bringen, der 500 m weit fährt und HD-TV-Bilder funkt. Astrobotic Technology – die bereits eine Rakete gebucht („Private Mondfahrer …“) haben – scheinen im Moment in Führung zu liegen, […]

  3. Nachrichten aus der Raumfahrt kompakt « Skyweek Zwei Punkt Null Says:

    […] haben auch auf dieser Seite des Atlantik weit reichende Konsequenzen. Zuerst für die erste L-Mission der Cosmic Vision der ESA („Erste Riesenforschungs…“), die eigentlich Mitte dieses Jahres aus drei […]

  4. NASA steigt aus LISA, IXO aus – ESA allein gelassen « Skyweek Zwei Punkt Null Says:

    […] (großes Röntgenobservatorium) abgebrochen. Beide gehören auch zu den 3 Finalisten für das erste Großprojekt der Cosmic Vision der ESA („Erste Riesenforschungsmission …“); der dritte wäre eine Mission zum Jupiter […]

  5. Nachrichten aus der Raumfahrt kompakt « Skyweek Zwei Punkt Null Says:

    […] Launch Alliance (die derzeit die meisten amerikanischen Wegwerfraketen liefert), ATK (mit dem Liberty-Konzept ["Amerikanisch-europäische Billigrakete …"]) und Orbital Sciences (wie Space X mit Cargo-Auftrag […]

  6. Nachrichten aus der Raumfahrt kompakt « Skyweek Zwei Punkt Null Says:

    […] aus dem Erdbebengebiet. Auch Xinhua 22.4.2011 zur gelungen Kontaktaufnahme mit dem verschollenen russischen ["Russischer Kartografie-Satellit …"] […]

  7. Nachrichten aus der Raumfahrt kompakt « Skyweek Zwei Punkt Null Says:

    […] Space Adventures verraten: Für das Unternehmen („Space Adventures …“) werden zunächst zwei Kunden – einer hat fest […]

  8. Nachrichten aus der Raumfahrt kompakt « Skyweek Zwei Punkt Null Says:

    […] schief hängt offenbar der Haussegen beim GLXP („Private Mondfahrer …“) – denn der Veranstalter des Mondrover-Wettbewerbs […]

  9. Nachrichten aus der Raumfahrt kompakt « Skyweek Zwei Punkt Null Says:

    […] Hälfte der 1.1 Mio.$ (1 Mio. von der DARPA, 100’000 von der NASA), die für Gedanken über bemannte interstellare Raumfahrt („‘Hundred Year Starship’ …“) zur Verfügung standen, sind zur […]

  10. Schock für Europas Weltraum-Astronomen: ESA-Exekutive gibt Mission zum Jupiter den Vorzug « Skyweek Zwei Punkt Null Says:

    […] Projekten ausgestiegen waren, insbesondere die bei allen drei wesentliche NASA: Artikel vom letzten Februar (“Erste Riesenforschungsmission …”), März (“NASA zu verwirrt […]

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