Webb beginnt zu liefern: Das war der erste Monat


12. Juli

Das machen 12½ Stunden NIRCam mit einem Galaxienhaufen

So sieht es also aus, das erste (Falsch-)Farbbild des James Webb Space Telescope, dass heute um 0:19 MESZ auf bizarre Weise „enthüllt“ wurde, im Rahmen einer 73(!) Minuten verspätet gestarteten und dann nur wenige Minuten dauernden kläglichen Show (ein Live-Thread) aus dem Weißen Haus [alt.], oben komplett mit der 4537 x 4630 Pixel großen Vollversion dahinter, darunter sechs Ausschnitte. Das Bild ist die tiefste – im Sinne von Empfindlichkeit, nicht unbedingt auch Rotverschiebungen, die man noch gar nicht kennt – nahinfrarote Aufnahme mit gleichzeitig der höchsten Schärfe und lässt auf Großes hoffen, zeigt aber auch Probleme auf: Die Point Spread Function heller Punktquellen ist enorm, und das ganze Bild ist bei genauerem Hinsehen von Beugungsstrahlen durchzogen. Über die Belichtungszeit von einem halben Tag hinaus haben die bisher dazu vorliegenden Erläuterungen hier, hier, hier, hier oder hier wenig zu bieten (und der POTUS hielt keinen gelehrten Vortag zu den Daten): Das ändert sich hoffentlich heute im Webcast zu allen vier Bildern und dem Spektrum ab 16:30 MESZ. Die endlose Verschiebung des Enthüllungs-Events um erst 1/2 Stunde und dann weitere 43 Minuten war Gegenstand manchen Spotts wie hier, hier, hier, hier, hier, hier oder hier – und im Vorfeld hatte die NASA Bilder von NASA-Managern beim Hantieren mit einem Ausdruck des Bildes verbreitet, insbesondere dieses: Daraus konnten dieser Blogger und andere wie hier, hier oder hier durchaus etwas herausholen, z.B. den hellen Stern mit den krassen Beugungsstrahlen … [1:55 MESZ]

Ein Vergleich mit einem Hubble-Bild des Haufens aus dem Archiv – nun ist dieses HST-Bild aber genauso wenig ein Deep Field im eigentlichen Sinne (bei dem tagelang auf eine besonders ‚leere‘ Stelle des Himmels gehalten wird) wie das JWST-Bild. Das ist wohl eher ein Teaser dafür, was Webb bei langer Integration schaffen kann: laut diesem Paper Rotverschiebungen bis mindestens 15. Eine „rote“ Galaxie bei Webb, die bei Hubble fehlt, könnte ein Kandidat für ein Objekt mit hoher Rotverschiebung sein. Auch das tiefe Fine Guidance Sensor-Bild („Kurz vor der großen Webb-Bilder-Enthüllung …“) im Vergleich mit einem 60-cm-Teleskop (auch geblinkt … und warum manche Vergleiche irreführend sind), weitere Threads hier und hier zu den heute kommenden anderen Motiven und wo sie in der Gaia-basierten Milchstraßen-Karte zu finden sind, die Bestätigung von NASA wie ESA, dass alle 17 Instrumenten-Modi funktionieren, ein Press Release von Northrop Grumman und ein NASA Release zu einem medizinischen Spin-Off Webbs. [2:45 MESZ]

Eine extrem prozessierte Version, um auch schwache Galaxien in der Totalen sichtbar zu machen – auch andere Bearbeitungen hier, hier, hier und hier, das erstaunliche Muster des IntraCluster Lights des Haufens, ein kurioses Etwas dahinter, viele weitere Ausschnitte, das Bild im World Wide Telescope integriert zum Hinein- wie davon weg Zoomen, eine Sammlung Galaxien aus dem Bild, etwas Verarbeitung durch einen Weltraumkünstler, die verwendeten Filter der NIRCam (und deren Durchlass-Bereiche), eine Erklärung für das unhöflich-abrupte Ende der Übertragung aus den Weißen Haus und Artikel von heute (MESZ) hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier und hier, gestern hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier und hier, vorgestern und vom 7. Juli. [3:55 MESZ] Das brandneue Paper „HST strong-lensing model for the first JWST galaxy cluster SMACS J0723.3-7327“ und eine Zusammenfassung, diverse Expert Reaction, das Problem (?) mit den vielen Beugungs-Strahlen (mehr, mehr und mehr), eine besonders interessante Galaxie, ein Doppelstern, den auch Gaia kennt, Hubble und Webb sauber geblinkt und weitere Artikel hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier und hier – gerade werden wieder große Reden geschwungen (bei einem Festakt im GSFC; Live-Threads hier und hier), es folgen u.a. um 16:30 die Präsentation der anderen ERO-Bilder (und wo sie am Himmel stehen), um 17:00 MEZ eine PK von der NAM im U.K. und um 20:00 MEZ eine Show aus dem HDA in Heidelberg. [16:15 MESZ]

Das sind die weiteren Early Release Observations

des James Webb Space Telescope, die jetzt bei einem Online-Event vorgezeigt werden, nachdem bereits in der Nacht der Galaxienhaufen präsentiert worden war:

Von dem gibt es jetzt auch ein MIRI-Bild zu sehen, es gibt Spektren einiger der sehr fernen Galaxien hier und hier und von einer gelinsten Galaxie. [16:50 MESZ. NACHTRAG: In einer PK hieß es später, die höchste hier spektroskopisch gemessene Rotverschiebung sei 8.5]

Das Spektrum des Exoplaneten WASP-96b (auch eine gemessene Transit-Lichtkurve vom Juni) …

… der Südliche Ring-Nebel gesehen von MIRI …

… und NIRCam, auch beide im Vergleich – da sitzt doch glatt eine Edge-On-Galaxie oben links dahinter. [17:05 MESZ]

Die Galaxiengruppe Stephan’s Quintet für MIRI [NACHTRAG: geblinkt gegen Visuell] …

… und kombiniert mit NIRCam: Es gibt auch Farbauszüge von NIRSpec und MIRIs Medium-Resolution Spectrometer und ein MIRI-Spektrum des Kerns von NGC 7320. [17:15 MESZ]

Und schließlich der Eta-Carinae-Nebel mit zwei Ausschnitten in voller Auflösung von der NIRCam – und kombiniert mit MIRI. Die Bilder gesammelt gibt’s bei der ESA und bei der NASA. [17:35 MESZ]

Auch das gab’s heute: ein Webb-Versuchs-Bild vom Jupiter

Sie sind im 60-seitigen Science Performance Report auf Seite 9 (PDF-Seite 14) zu finden: NIRCam-Aufnahmen des Jupiter mit Monden und auch dem Ring bei hier 2.12 sowie 3.23 µm, mit denen die Nachführung auf ein bewegliches Ziel getestet wurde – das klappt, so lange der helle Planet mindestens 140″ vom Fine Guidance Sensor enfernt bleibt. Und der Bericht schließt, dass „the JWST mission enters Cycle 1 having demonstrated that the observatory exceeds its demanding pre-launch performance expectations. With revolutionary capabilities, JWST has begun the first of many years of scientific discovery.“ Auch ein Tool für’s Webb-Archiv, wo übermorgen 40 Terabye Daten aus dem letzten halben Jahr frei verfügbar werden, eine gute Fan-Verarbeitung des Planetarischen Nebels, ESA & NASA Releases hier, hier, hier, hier, hier, hier und hier und zu den 5 Objekten hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier und hier, noch eine Bildersammlung der CSA, RAS-Statements hier und hier, die Aufzeichnung einer NASA-PK nach dem Reveal, Beiträge von Tagesschau 24 und in Heute, Tagesschau, Heute Journal und Tagesthemen, heute um 21:00 MESZ noch ein NASA-Event und Artikel hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier und hier. [23:45 MESZ. NACHTRAG: und hier, hier, hier, hier, hier und hier sowie ein TV-Clip aus Kanada, „Rezensionen“ der Reveal-Show hier und hier, ein Statement der AURA, ein Clip der CSA, Open-Air-Shows hier und hier, ein Mem für Nerds – und vielleicht eine Entdeckung im Quintet-Bild]


14. Juli

Dicht daneben ist auch vorbei … wie ein Spezialist für die 3D-Struktur der Milchstraße in diesem Thread ausführt, befindet sich das Webb-ERO-Motiv “Cosmic Cliffs” – hier ein Ausschnitt aus dem 14575 x 8441 Pixel großen Bild in halber Auflösung – gar nicht im Eta-Carinae-Nebel alias Carina Nebula: Der offene Sternhaufen NGC 3324 nebst Nebulosität liegt über 100 Parsec hinter dem großen hellen Nebel NGC 3372 [NACHTRAG: weitere Details dazu – aber auch eine andere Gaia-Analyse, die NGC 3324 als Carina-Anhängsel sieht]. Und so sehen die Rohdaten dazu aus, aus dem vor wenigen Stunden freigeschalteten MAST-Archiv – auch der Commissioning Report auf ArXiv, die ERO-Bilder zoombar – und gerade streamt ein Event zu den ERO-Bildern bei einer Tagung im U.K., dem um 21:00 MESZ gleich noch eins bei der NASA folgt. [19:50 MESZ] Weitere Artikel hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier und hier sowie Video-Clips hier und hier. [22:55 MESZ]


16. Juli

Drei neue Bilder vom Webb, die nicht von der NASA kamen

oder von der ESA oder der CSA: oben ein Falschfarbenbild des Jupiter von einer Spezialistin für Satelliten-Bilder aus den schon von hier und hier bekannten NIRCam-Testaufnahmen für Sonnensystems-Objekte erstellt wurde, wobei der 2.1-µm-Kanal blau und der 3.2-µm-Kanal rot eingefärbt wurde (ob da rechts eine Art dünner Airglow über dem Planeten hängt oder das nur ein Artefakt ist, wird bereits hier und hier diskutiert), darunter der Planetarische Nebel NGC 6543 (mit einem Hubble-Bild von 375 bis 953 nm als blau bis grün und einem 5.6-µm-Bild von Webbs MIRI in rot) und unten die Galaxie 7496 mit einem Hubble-Bild von 275 bis 814 nm als blau bis rot und MIRI von 10 bis 21 µm in knallrot darüber. Und es gibt bereits die vermutlich ersten wissenschaftlichen Papers über echte JWST-Daten: Unscrambling the lensed galaxies in JWST images und Precision modeling of Webb’s first cluster lens befassen sich beide mit dem linsenden Galaxienhaufen. Auch was John Mather heute denkt, Artikel von gestern (mehr, mehr, mehr, mehr und mehr), vorgestern (mehr, mehr, mehr, mehr und mehr), dem 13. Juli (mehr) und 12. Juli (mehr), ein Radio-Stück von 13 Min. (Englisch) und 45 Min. Web TV (Deutsch) – und die NASA hat einen neuen Astrophysik-Direktor, Mark Clampin. [0:30 MESZ]

Immer neue Produkte vom JWST fluten die Sozialen Medien

Von oben ein MIRI-Falschfarbbild der Galaxie IC 5332 aus Aufnahmen von 7.7 bis 21 µm, der bereits erwähnte und nun offiziell gemeldete Supernova-Kandidat (der Lichtpunkt mit 24. Größe oberhalb der Bildmitte, der auf dem entsprechenden älteren Hubble-Bild fehlt), nochmal die Galaxie NGC 7496 (diesmal nur NIRCam und MIRI, es leuchten sowohl Sterne wie Staub [NACHTRAG: das Bild in voller Auflösung]), ein unbeschriftetes aber sehr sauberes Galaxien-Spektrum, in dem sich offenbar PAHs verraten, der Kugelsternhaufen Messier 92, für den auch schon ein Farben-Helligkeits-Diagramm erstellt wurde, die sehr rauscharme Lichtkurve eines Transits von WASP-39b vor seinem Stern (x-Achse Zeit in 0.05-Tagen, y-Achse Sternhelligkeit in 0.0025-Schritten markiert) – und der schon dreimal gezeigte NIRCam-2.12-µm-Jupiter vom 28. Juni [NACHTRAG: noch eine weitere Verarbeitung] zu einer Teilkarte ausgerollt und mit einer Gesamtkarte aus Aufnahmen von Amateuren aus demselben Zeitraum verglichen. A propos Amateure … da hat jemand in Südafrika ein Stück des Nebels Gum 31 aufgenommen, mit einem 20-cm-Teleskop (einem 203/2000 mm Aplanatic Flatfield Cassegrain) und durch SHO-Filter: Das Ergebnis sieht auf den ersten Blick wie eine unschärfere Version des gefeierten Webb-Bildes aus. Auch ein Portrait eines JWST-Daten-Empfängers, ein Konzert-Auftritt der Webb-Bilder, eine originelle Montage, ein Scherzchen, 3 Minuten Webb als Aufmacher von This Week @ NASA, ein NASA-Podcast-Transkript, ein 50 Minuten langes Radio-Stück und weitere Artikel hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier und hier. [20:30 MESZ]


18. Juli

Webb auf der Spur von Galaxien mit Rotverschiebung > 11

Die bekannten Objekte mit den höchsten Rotverschiebungen derzeit, die auf Spektren (und nicht nur Photometrie) basieren, sind die 2016 publizierte Galaxie GN-z11 mit z=11.1 und die beiden Kandidaten HD1 und HD2 von diesem Frühjahr mit vermutetem z ∼ 12–13 (wobei es aber auch nur z~4 sein könnte) – aber das JWST könnte diese Grenzen bald durchbrechen! Wie soeben verlautete, hat der neue IR-Wunder-Satellit schon jetzt „an exciting number of high-redshift candidates, with some reaching z ~ 11 (and higher!)“ aufgespürt, auch wenn wegen „the nascent nature of our data we have several remaining tests to perform“. Jedenfalls hat Webb schon mal eine bekannte z~9-Galaxie mit der NIRCam in weniger als einer Stunde und in Farbe abgelichtet, an der sich Hubble und Spitzer einen abgebrochen hatten: Sie erscheint nun sehr auffällig.

Weitere Testbilder der Instrumente Webbs sind ebenfalls aufgetaucht: hier das bereits aus dem Frühjahr bekannte Feld („Ein genauerer Blick auf das MIRI-Testbild …“), nun aber in Farbe aus MIRI-Aufnahmen bei 5.6 und 7.7 µm – und es gibt noch viele Commissioning-Aufnahmen mehr zu sehen. Warum die Point Spread Function von MIRI ganz anders als die der NIRCam aussieht, obwohl doch beide durch das selbe Teleskop schauen, wird ausgiebig in diesem Thread erklärt: Es kommen – bei den kürzeren Wellenlängen – zusätzliche Streu- und Beugungseffekte im IR-Detektor selbst dazu. [2:05 MESZ]

Und es geht immer weiter: die Spiralgalaxie Messier 74 aus MIRI-Aufnahmen mit 7.7, 10 und 11.3 µm Wellenlänge. Und CEERS hat sich auch ’nähere‘ Galaxien angeschaut: ein verschmelzendes Paar bei 1.5 µm, das schon Hubble kannte. [4:30 MESZ] Eine weitere Verarbeitung der M-74-Daten, eine Überblendung mit einem Bild im Sichtbaren und weitere Kommentare dazu hier, hier und hier. [14:40 MESZ]

Die Galaxie NGC 7496 aus NIRCam- und MIRI-Bildern kombiniert: auch eine Kombination von JWST und HST für diese Galaxie, ein Kombination von JWST und vielen anderen Quellen für Stephan’s Quintet, die sogenannten JWST-Rohbilder der ‚Klippen‘ in Gum 31 interaktiv ins WWT eingebaut, ein LSU Release mit Experten-Meinungen zu den ERO-Bildern und deren Präsentation in ganz groß auf dem Times Square animiert.

Und abermals Messier 74: diesmal zusammengesetzt aus Hubble-Aufnahmen bei 435 und 814 nm und einem MIRI-Bild bei 7.7 µm. Auch Artikel hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier und hier sowie welche hier und hier, hier zu dem Mikrometeoriten-Treffer auf den Hauptspiegel, dessen minimaler ‚Impakt‘ auf die Mission z.B. hier, hier, hier und hier klargestellt wird. [23:30 MESZ]


21. Juli

Eine Webb-Galaxie mit Rotverschiebung ca. 12.4?

Dieser unscheinbare Blob auf NIRCam-Bildern des JWST sorgt gerade reihum für atemlose Schlagzeilen: Er wurde von zwei unabhängigen Arbeitsgruppen in Daten des Early Release Science-Programms „GLASS“ aufgespürt und ist zusammen mit einem weiteren Fund im selben kleinen Himmelsfeld Star der vorletzte Nacht gleichzeitig erschienenen Papers „Early results from GLASS-JWST. III: Galaxy candidates at z∼9-15“ und „Two Remarkably Luminous Galaxy Candidates at z ≈ 11 − 13 Revealed by JWST“ – hier wurde er von Gabriel Brammer als Nah-Infrarot-Falschfarben-Bild dargestellt.

Darin erscheint das Objekt „knallrot“, weil es auf den NIRCam-Bildern – es waren sieben Aufnahmen von 900 nm bis 4.4 µm gemacht worden – erst ab 2 µm schlagartig zu sehen ist, dann konstant stark, aber bei kürzeren Wellenlängen komplett fehlt: Hier aus beiden Papers die komplette Bilder-Serie bzw. der kritische Übergang.

Und hier die Auswertung durch die beiden Teams, die das Objekt „GHZ2“ bzw. „GLASS-z13“ oder „GL-z13“ nennen: Beide sind sich sehr sicher, dass es nur eine extrem weit entfernte Galaxie sein kann, deren Licht unterhalb einer bestimmten Wellenlänge komplett durch intergalaktischen neutralen Wasserstoff absorbiert wird, wie einer der Autoren in diesem Thread erläutert – andere plausible Erklärungen für den „Dropp-Off“ im Spektrum, exotische völlig andere Objekte mit ähnlichem Spektrum etwa, können sie nicht erkennen. Oben und darunter sind aus beiden Papers Magnituden aus den Bildern gegen die Wellenlänge in Ångström bzw. der Fluss gegen die Wellenlänge aufgetragen, jeweils unterlegt mit typischen Galaxienspektren mit Kante, und im kleinen Bild oben bzw. der Grafik unten die Ableitungen der Rotverschiebung des Objekts aus dem Dropp-Off: ziemlich scharfe ~12.3 durch die eine bzw. mit zwei verschiedenen Methoden 12.4±0.2 und 13.1±0.8 durch die andere Gruppe.

Gemäß dem Cosmology Calculator sehen wir die Galaxie 350±25 Mio. Jahre nach dem Urknall (die Zahl variiert mit der genauen Rotverschiebung wie auch dem Wert der Hubble-Konstanten nur wenig) – wenn die Rotverschiebung denn stimmt: Sie ist ja allein photometrisch aus wenigen Bildern abgeleitet worden, ein Spektrum mit womöglich identifizierbaren Linien gar gibt es bisher nicht. Das ist bei den beiden aktuellen Rekordhaltern in Sachen z anders: Die 11.1 von GNz11 gelten als spektroskopisch gut abgesichert, die 13.3 von HD1 sind eher photometrisch, haben aber auch ein spektroskopisches Indiz. Ob GHZ2/GL-z13 einen neuen Rekord aufgestellt haben mag, bleibt vorerst Interpretations-Sache. In dieser Grafik ist jedenfalls die Absoluthelligkeit im UV gegen die Rotverschiebung von bekannten Galaxien aus der ersten Jahrmilliarde des Universums aufgetragen: Der neue Kandidat unten rechts wie auch der zweite Fund GHZ1 alias GL-z11 beider Gruppen mit einer photometrischen Rotverschiebung von ~10.6 (und leicht länglicher Gestalt, im Gegensatz zum rundlich erscheinenden GHZ2) liegen in einem neuen Parameter-Bereich, fern und nicht besonders hell. Aber dass sie überhaupt gleich im allerersten kleinen von Webb untersuchten Himmelsfeld gefunden wurden, könnte auf eine deutlich größere Galaxienzahl im ganz jungen Universum hindeuten als aktuelle Modelle erwarten lassen – Webb könnte eine Menge zu sehen bekommen. Und tatsächlich sind im selben GLASS-Feld auch noch fünf weitere Fern-Galaxien-Kandidaten mit – teilweise allerdings widersprüchlichen – Rotverschiebungs-Abschätzungen von 9 bis 11 gefunden worden. [20:00 MESZ]

Eine betont krasse Weiterverarbeitung des NIRCam-Bildes des linsenden Galaxienhaufens ohne wissenschaftlichen Anspruch (eine weniger verrückte) – und trotzdem nützlich: Das Intra-Cluster-Licht von Sternen, die bei Wechselwirkungen der Haufen-Galaxien untereinander aus diesen gerissen wurden und nun durch den Haufen driften, tritt hier dunkelblau hervor. Und es wird deutlich, dass ein über interessante Substrukturen verfügt, auf die bereits das Paper „Unscrambling the lensed galaxies in JWST images behind SMACS0723“ hingewiesen hatte, mit Bogenstrukturen an den Enden: Wie das ICL mit der Verteilung der Dunklen Materie korrespondiert, die sich wiederum über den Linsen-Effekt verrät, wird Gegenstand weiterer Untersuchungen sein: Dieses Paper identifizierte 14 neue Linsen-Systeme mit zusammen 42 produzierten Bildern (zusätzlich zu den bereits von Hubble gefundenen fünf Linsen) und kann alles durch ein Modell der Massenverteilung im Haufen erklären (die natürlich von dessen fetter Zentralgalaxie dominiert wird): Dieser hat eine Rotverschiebung von 0.39, während die gelinsten Galaxien oft etwa 1.5 aber zuweilen 5 bis 7 haben. Das Paper „Precision modeling of JWST’s first cluster lens SMACSJ0723.3-7327“ fand sogar 16 neue Linsensysteme: Eine Hintergrund-Galaxie an genau dem richtigen Ort würde nicht nur stark verzerrt sondern auch um bis zu einem Faktor 1000 heller gemacht. Nicht ‚künstlich‘ aufgehellt wurden übrigens die fernsten bereits in Haufennähe von Webb gefundenen Galaxien (mit spektroskopischen Rotverschiebungen bis 8.5) und maximal um einen Faktor 2 drei besondere Galaxien im selben Bild, die das Paper „Properties of the submillimeter galaxies revealed by JWST and ALMA in SMACS 0723 galaxy cluster“ beschreibt: Submillimeter-Galaxien mit Rotverschiebungen von 0.8 bis 2.1. [21:00 MESZ]

Der Randbereich des Kugelsternhaufens Messier 92, von Judy Schmidt aus NIRCam-Bildern in vier Wellenlängen von 900 nm bis 4.4 µm erzeugt: auch ein anderes Feld in der Nähe und das gesamte M-92-Pakete in anderer Fan-Verarbeitung; das Zentrum des Haufens fehlt. Und hier, hier und hier ein paar Details aus dem JWST-Early Release Science-Programm CEERS – auf dessen NIRCam-Bildern eine der anfangs genannten Gruppen übrigens gleich noch drei weitere Galaxienkandidaten mit hohen photometrischen Rotverschiebungen gefunden hatte und wo offenbar noch mehr wartet. [21:35 MESZ]

Die Spiralgalaxie Messier 74, wie sie MIRI mit 7.7, 10 und 11 µm sieht: hinter dem Bild ein Falschfarben-Komposit in voller Auflösung, auf dem besonders filamentäre Strukturen durch Staub und PAHs auffallen. Auch eine interaktive Version dieser Daten, weitere M-74-Verarbeitungen hier und hier, ein Fan-Experiment mit Stephan’s Quintet – und wieviele Gaia-Sterne hinter Webbs Bildern liegen. Und eine Sneak-Preview eines Exoplaneten-Spektrums mit scharfen Absorptions-Linien und viel Wasser sowie Lichtkurven von TESS für Webbs Exoplaneten der Early Release Science. [21:50 MESZ]

Eine besonders gute Verarbeitung des hier schon viermal präsentierten Webb-Jupiters, der während Nachführ-Tests am 28. Juni aufgenommen worden war: Nun sieht man auch einiges Detail in der hellen Äquatorzone, die bei anderen oft ausgebrannt ist. Auch besonders krasse Jupiter-Verarbeitung [NACHTRAG: eine besondere Betonung des Rings], das Tracking eines Aten-Asteroiden, wie das JWST widerstandsfähig gemacht wurde, der NASA-Wissenschafts-Chef in Schrift und Wort (auch ein Transkript u.a.), JWST-Pläne in Innsbruck, Artikel hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier und hier und ein Web-TV– und ein Radio-Beitrag. [22:10 MESZ]


24. Juli

Webb gegen Hubble: Galaxien schon viel früher wie heute?

Der Galaxienhaufen aus den Early Release Observations des JWST („Eine betont krasse Weiterverarbeitung …“) erweist sich als unerschöpflicher Quell für die Astrophysik – und scheint schon nach Tagen das Bild der Galaxien-Evolution, das die berühmten Deep Fields des HST gezeichnet hatten, in Frage zu stellen: hier Schlüssel-Illustrationen aus dem Paper „First Rest-frame Optical Observations of Galaxy Structure at z>3 with JWST in the SMACS 0723 Field“. Oben wurden mehrere hundert fernere Galaxien im Bild – die mit dem Haufen gar nichts zu tun haben – aufgrund ihrer photometrischen Rotverschiebung in drei Bins gepackt, darunter ist der Anteil von kugeligen und scheibenförmigen (was auch Spiralen einschließt) Galaxien in den drei Entfernungs- = Alters-Gruppen aufgetragen, von Webb wie auch von Hubble aus den CANDELS-Himmelsfeldern. Für das optische Weltraum-Teleskop, das nur bis 1.6 µm gucken und Galaxien nur bis z~2.5 sauber klassifizieren kann, hatte der Anteil beider Galaxientypen mit steigender Rotverschiebung rasant abgenommen, während – hier nicht gezeigt – der Anteil pekuliärer Galaxien bis auf über 40% stieg. Für Webb fällt er dagegen, auf 20% bei z=4.5, während die kugel- und scheibenförmigen dann jeweils rund 40% erreichen. Fazit: Die „frühen Galaxien haben eine normalere Morphologie als erwartet“, und es könnte mithin sein, dass sich unsere Milchstraße die letzten gut 10 Mrd. Jahre kaum verändert hat.

Und hier, aus demselben Paper, fünf Galaxien mit steigender Rotverschiebung: jeweils ihr Anblick für Hubble bei 1.6 µm, ihr „wahres“ Bild von Webb (in derjenigen Wellenlänge, die ihren Anblick bei Rotverschiebung Null wiedergibt) und Falschfarbbilder Webbs von 2.8 bis 4.4 µm: Hubble kann bei Galaxien mit z>3 nur noch deren UV-Emission erkennen, die – wie nun Webb gezeigt hat – auch bei ’normalen‘ Galaxien oft ein klumpiges, pekuliäres Bild vorgaukelt. Offenbar hat sich die „Hubble-Sequenz“, die berühmte ‚Stimmgabel‘ der Galaxien-Typen mit den Armen Ellipsen und Spiralen schon früh in der kosmischen Geschichte herausgebildet: wie sich nun abzeichnet bei Rotverschiebungen um 6. Und Verschmelzungen von Galaxien untereinander spielten womöglich eine geringere Rolle als bisher gedacht. Auch das Paper „Rest-frame near-infrared sizes of galaxies at cosmic noon: objects in JWST’s mirror are smaller than they appeared“ revidiert das Bild der frühen Galaxien, diesmal mit Webb-Beobachtungen über tausend Exemplaren im CEERS-Feld – eine riesengroße Darstellung dieses Bildes in einem Visualisierungs-Lab – mit 1.0 < z < 2.5: Die sind bei 4.4 µm im Schnitt 8% kleiner als bei 1.5 µm, und bei den massereichstens (100 Mrd. Sonnen) beträgt der Unterschied sogar 25%. Ein offensichtlicher Grund für diesen Effekt wird in dem Paper nicht genannt.

Wieder zurück zu den besonders fernen Galaxien im Feld um den Galaxienhaufen: Hier haben sich die Papers „First look with JWST spectroscopy: z∼8 galaxies resemble local analogues“ und „A first look at the SMACS0723 JWST ERO: spectroscopic redshifts, stellar masses and star-formation histories“ die Chemie der fernsten Galaxien mit NIRSpec angeschaut, die in der Epoche der Reionisation des Kosmos liegen. Oben ein Auszug aus dem Spektrum einer Galaxie mit z=7.66, unten Teile von fünfen von Galaxien mit 5.3 < z < 8.5: Sie entsprechen den Spektren bestimmter Galaxien in unserer Nähe mit ähnlich starken Emissionslinien, deren Metallizität bei 5-15 % des solaren Werts liegt und die bereits – und wie sich nun zeigt, korrekt – als Analogien zu z~8-Galaxien gesehen wurden. Bestimmte spektrale Details der Webb-Galaxien mit 7 < z < 9 deuten dabei auf ein sehr junge Sternpopulation hin: Der Großteil ihrer Sterne dürfte erst in den letzten 10 Mio. Jahren entstanden sein, wobei eine der Galaxien schon 1 Mrd. Sonnenmassen hat, keine 700 Mio. Jahre nach dem Urknall. Ansonsten gibt es noch das Paper „First JWST observations of a gravitational lens: Mass model of new multiple images with near-infrared observations of SMACS~J0723.3−7327“, das auf eine Hintergrund-Galaxie mit z > 7.5 gestoßen ist, von der der Linsen-Effekt des Haufens ein Bild um einen Faktor 10 heller macht. Die meisten anderen gelinsten Galaxien haben z < 3. [2:15 MESZ]

Genug der harten Astrophysik mit Webb, hier sind ein paar neue Pretty Pictures von Galaxien aus Bildern der Early Release Science: die wechselwirkenden Galaxien Arp 321 (S. Atkinson), die staubigen Arme der Galaxie IC 5333 von MIRI (2.1 bis 7.7 µm) über ein Hubble-Bild gelegt (J. Schmidt) und die Seyfert-2-Galaxie NGC 6552 mit MIRI 5.6µm (rot; der aktive Kern) auf Hubble WFPC2 814 nm gelegt (grün bis blau gemäß Intensität; Ö. Detre). Ferner ein Zufallstreffer von MIRI, eine Fan-Bearbeitung von Gum 31 (oft irrtümlich zum Carina-Nebel gezählt; auch im Vergleich mit der NASA), kosmologische Kurven zur Einordnung der fernsten Galaxien bzw. -Kandidaten (dazu auch ältere Papers hier und hier nebst einer Populär-Version davon), der scheidende JWST-Programm-Direktor in The Daily Show, ein längerer Chat über Webb und Supernovae, die Teile eins, zwei und drei einer Series des Herstellers und Artikel hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier und hier. [14:30 MESZ]


27. Juli

Eine Webb-Galaxie mit Rotverschiebung ca. 16.7?

„Eine Webb-Galaxie mit Rotverschiebung ca. 12.4?“ So lautete hier vor nicht mal einer Woche die Schlagzeile – aber in den drei „Deep Fields“ des JWST, die im Rahmen der Early Release Observations (der linsende Galaxienhaufen SMACS J0723.3-7323) und Early Release Science (die CEERS- und GLASS-Felder) lange durch verschiedene NIRCam-Filter belichtet wurden und deren Daten seit Monatsmitte öffentlich sind, haben zahlreiche Astronomen jede Menge weitere Galaxien mit rekordverdächtigen Rotverschiebungen entdeckt, die v.a. in einer Flut von Preprints vorletzte Nacht bekannt wurden. Zum Beispiel dieser Kandidat mit einer photometrischen Rotverschiebung von 16.6 bis 16.8 (gemäß drei verschiedener Methoden) aus dem Paper „The evolution of the galaxy UV luminosity function at redshifts z ~ 8-15 from deep JWST and ground-based near-infrared imaging“, der sich im CEERS-Feld befindet:

Im 2.0-µm-Bild ist die Quelle noch extrem blass, aber bei 2.7 µm und noch längeren Wellen ist sie deutlich heller, und eine andere Erklärung als eine Galaxie mit einer enormen Rotverschiebung – die je nach Hubble-Konstante einem Zeitpunkt 220 bis 240 Mio. Jahre nach dem Urknall entspräche – sehen die Autoren nicht, die hier ein simuliertes Galaxienspektrum über den Fluss bei den NIRCam-Wellenlängen (in Å) legen und eine Wahrscheinlichkeitsverteilung für die Rotverschiebung plotten, auf die auch mehrere andere Auswerter kommen. Aus den Daten schließen sie – in Kombination mit Galaxienmodellen – auf eine Masse von einer Milliarde Sonnen, einer Sternentstehungsrate von einer Sonne pro Jahr und ein Alter von 10 bis 60 Mio. Jahren: Demnach begann die Sternentstehung in dieser Galaxie 120 bis 220 Mio. Jahre nach dem Urknall, bei Rotverschiebungen von 26 bis 18.

Die z=16-Galaxie – auch in Threads des ersten Autors und hier beschrieben – war dabei eigentlich nur ein Ausreißer, denn es ging dem Team vor allem um diesen Plot: Dargestellt ist der Logarithmus (!) der Raumdichte von ultravioletten Photonen, die wiederum die Sternbildungsrate pro Volumen abbildet, gegen die Rotverschiebung, basierend auf energischer Auswertung aller drei JWST-Deep-Fields sowie der alten UltraVISTA-Himmelsdurchmusterung mit dem VISTA-Teleskop der ESO vor einem Jahrzehnt. Eingegangen sind insgesamt 55 Galaxien mit hohen Rotverschiebungen (7.6 bis 14.3, plus der 16.7-Exot), davon 44 neu entdeckte: Das braune Modell fliegt aus dem Fenster, stattdessen scheint der weiße Verlauf die kosmische Entwicklung besser nachtzuzeichnen: Schon viel mehr los als viele dachten war im ganz frühen Kosmos (rechts), womit die UV-Photonen der frühesten Galaxien als der Re-Ionisator des Kosmos weiter an Plausibilität gewinnen. [16:45 MESZ]

Und da wäre schon der nächste Kandidat für eine JWST-Galaxie enormer Rotverschiebung, diesmal 16.0±0.4, aus dem Paper „Revealing Galaxy Candidates out to z∼16 with JWST Observations of the Lensing Cluster SMACS0723“ (Fig. 6), das den Fund von 6 Galaxien mit 9 < z < 11, 7 mit 11 < z < 15 und zwei über 15 beschreibt, wobei der zweite Kandidat aber problematisch ist. Die Masse des besseren wird diesmal auf grob 100 Mio. Sonnenmassen geschätzt, mit dem Großteil der Sternbildung in den letzten 20 Mio. Jahren. Gleich 88 Galaxien-Kandidaten mit z > 11 in derselben Gegend vermeldet derweil das Paper „First Batch of Candidate Galaxies at Redshifts 11 to 20 Revealed by the James Webb Space Telescope Early Release Observations“, das sich auch das – automatisch mit aufgenommene – parallele NIRCam-Feld neben dem Galaxienhaufen angeschaut hat, wo dessen Galaxien und Intra-Haufen-Licht weniger stören. Für jene Galaxien, die sich auch bei 2.0 µm noch unsichtbar machen, werden Rotverschiebungen überwiegend zwischen 14.2 und 20.6 angegeben: Letzteres wäre 160 bis 180 Mio. Jahre nach dem Urknall. [17:25 MESZ]

In dieses Diagramm sind einige der neuen Kandidaten eingetragen, aber Vorsicht: Hier wird genau ein spezifisches kosmologisches Modell verwendet, das wegen der berühmten Hubble Tension nicht als das letzte Wort gelten kann, insbesondere variiert die Lookback-Zeit erheblich mit der Hubble-Konstanten, während die Zeit nach dem Urknall relativ und v.a. in absoluten Jahrmillionen weniger unsicher ist. Weitere Hoch-z-Papers diese Woche: „A Candidate z ~ 14 Galaxy in Early JWST CEERS Imaging“ (z~14.3 mit Vorbehalten; starke Sternbildung und mittlere Masse), „Discovery and properties of ultra-high redshift galaxies (9<z<12) in the JWST ERO SMACS 0723 Field" (vier neue Kandidaten bis z~11.5, letzterer eine Zwerggalaxie mit knapp 100 Mio. Sonnenmassen), „Physical characterization of F090W-dropout galaxies“ (ein Kandidat mit z~10.0) und „A very early onset of massive galaxy formation“ (sieben Galaxien mit großen Massen mit 7.5 < z < 11). zu der Jagd nach dem größten z auch Scherzchen hier, hier und hier und vorsichtige Meinungen hier und hier. [18:10 MESZ]

Ein Ausschnitt aus einer Fan-Verarbeitung eines NIRCam-Bildes der Umgebung der Zwerggalaxie Wolf–Lundmark–Melotte, gleich noch eine und Bilder von CEERS ganz groß dargestellt. Zu Galaxien mit z < 10 – in der Webb-Ära schon fast 'nahe' – gibt es auch jede Menge Papers: „Finding Peas in the Early Universe with JWST“ (Spektren von drei Galaxien mit z~8 erinnern an die ‚Green Peas‘ im nahen Kosmos), „The chemical enrichment in the early Universe as probed by JWST via direct metallicity measurements at z~8“, „Stellar masses and mass-to-light ratio of z>7 galaxies“ (größere Vielfalt als erwartet), „Rest-frame UV-optical properties of galaxies at 7 < z < 9", „Confirmation of Lensed z⩾7 Lyman-Break Galaxies Behind the Abell 2744 Cluster“, „JWST/NIRCam Observations of Stars and HII Regions in z≃6−8 Galaxies: Properties of Star Forming Complexes on 150 pc Scales“ (ein Großteil der Sternmasse steckt in geklumpten Entstehungs-Gebieten), „Serendipitous Discovery of a Strong [O III]/Hα Emitter at z=6.11“, „The Physical Conditions of Emission-Line Galaxies at Cosmic Dawn“ (mit z > 5) und „An Extremely Magnified Blue Supergiant Star at Redshift 2.65“, dem gleich zwei Gravitationslinsen halfen.

Ein Video mit vielen Details zum Commissioning des JWST-Instruments MIRI – auch die Papers „JWST/MIRI coronagraphic performances as measured on-sky“, „Early results from GLASS-JWST. II: NIRCam extra-galactic imaging and photometric catalog“ und „The JWST Early Release Observations“ mit der Wissenschaft hinter den am 12. Juli präsentierten ersten Bildern, die derzeit auch riesengroß in Heidelberg zu sehen sind, ein langer Press Release über das CECILIA-Projekt mit Webb nebst kurzem Thread dazu und Artikel zu den Hoch-z-Kandidaten und anderen JWST-Aspekten hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier und hier. [19:00 MESZ] Und hier. [21:45 MESZ]


30. Juli

Der Jupiter von Webb vor drei Tagen – ausgerollt als Karte

zu zwei Zeitpunkten am 27. Juli, die hinter dem Bild geblinkt werden: auch ein grobes Mosaik aus den 2.12-µm-Bildern, die im Rahmen der Early Release Science entstanden und deren einziges Motiv im Sonnensystem sind, sowie der Jupiter-Ring. Ferner die neuen Webb-Papers First Insights into the ISM at z>8, Spatially resolved metallicity in a low-mass z∼3 galaxy, The first rest-frame optical size-luminosity relation of galaxies at z>7, Extreme rest-optical equivalent widths, First spectroscopic confirmation of low-mass quiescent galaxies at z>2, The Morphology of Galaxies at the Epoch of Reionization und Discovering a bluer z~4-7 Universe through UV slopes (es werden weniger), Pressemitteilungen von MPA und TUM zu einer der Analysen der Gravitationslinse (Ende 3. Absatz erwähntes Paper) und ein Press Release aus Edinburgh zum Galaxien-Kandidaten mit z=16.7, ein Interview mit John Mather, Lob vom US-Senat und ein Artikel. [0:00 MESZ]


2. August

Das erste amtliche JWST-PR-Bild seit drei Wochen

Kein Witz: Seit dem Schwung Early Release Observations am 12. Juli war weder von der NASA noch von der ESA irgendein weiterer Press Release gekommen. In dem im ersten Halbjahr 2022 so aktiven Missionsblog entschuldigt man dies mit fehlender ‚peer review‘ der – zahlreichen und potenziell bedeutenden – ersten wissenschaftlichen Ergebnisse, die über Preprints und Social Media direkt durch die beteiligten Wissenschaftler verbreitet wurden. Und verspricht „in the coming weeks“ neue Pretty Pictures, die aber wenig mit echter Forschung zu tun haben: Das erste wurde soeben von von der NASA und von der ESA exakt 3 Wochen nach den EROs veröffentlicht, ein NIRCam/MIRI-Komposit der Wagenrad-Galaxie. Und das Webb-Blog empfiehlt, sich doch selbst bei den Rohdaten zu bedienen: Wie das geht, hatte bereits dieses Video-Tutorial erklärt. [16:55 MESZ]

Diesem Blogger und auch manch anderem JWST-Fan war auf dem Bild des Galaxienhaufens mit Linsen-Wirkung sogleich dieses besonders krass verzerrte Exemplar einer Hintergrund-Galaxie aufgefallen, eigentlich nur ein paar Lichtpunkte – wohl einzelne Sternentstehungs-Gebiete – aufgereiht auf einer Linie. Guillaume Mahler von einer der Arbeitsgruppen, die diese Linse anhand der Webb-Bilder analysierte, hat gestern diesem Blog die Geometrie erklärt: „Der Linsen-Effekt ist hier asymmetrisch und streckt die Galaxie praktisch nur einer Richtung. In derjenigen senkrecht dazu bleiben die Emissions-Knoten unaufgelöst, trotz der starken Vergrößerung. Das liefert eine scharfe Obergrenze für die Ausdehnung von Sternentstehungs-Gebieten im Universum mit hoher Rotverschiebung: ein faszinierender Gegenstand der Forschung, wir werden bald darüber publizieren.“

Und hier gleich noch ein – neues – Webb-Bild einer vom Linseneffekt eines (anderen) Galaxienhaufens extrem in die Länge gezogenen Galaxie. Markiert ist ein Knoten auf dem Galaxien-Strich, der bereits auf einer entsprechenden Hubble-Aufnahme des Haufens entdeckt worden war und der als Kandidat für einen Einzelstern mit Rotverschiebung 6.2 gilt, der so perfekt hinter dem Vordergrund-Haufen sitzt, dass er um ein Mehrtausendfaches heller erscheint. Das wäre ein Entfernungs-Rekord für einen Einzelstern, aber die Meinungen der Referees waren geteilt (Reviewer 2 empfand es sogar als Frechheit, das Paper überhaupt einzureichen). Und in der Tat gibt es weder eine Messung der Rotverschiebung dieses Objekts selbst, nur von der Galaxie, und auch kein Spektrum, das seine Natur als massereicher Einzelstern belegen könnte: Diese Interpretation basiert vor allem darauf, dass Hubble die Quelle nicht auflösen konnte. Webb wird nun hoffentlich per Spektrum die Sache eindeutig klären: über die Hubble-Beobachtungen ein ESA Release, Threads hier, hier und hier, kurze Videos hier und hier und Artikel hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier und hier.

„Jedes Webb-Bild ist ein Deep Field“, lautet bereits ein geflügeltes Wort: Egal was das eigentliche (Deep-Sky-)Motiv ist, es erscheinen immer jede Menge Galaxien im Hintergrund bzw. daneben. So war das bei den Early Release Observations zum Beispiel bei Stephan’s Quintett der Fall gewesen – oder beim „Südlichen Ringnebel“ NGC 3132, neben dem NIRCam wie MIRI eine auffällige Galaxie von der Seite zeigen: Oben das Webb-Bild gestreckt und die Galaxie (und noch ein paar Meer) im Ausschnitt. Jetzt liest man zuweilen, Webb habe diese Galaxie „entdeckt“ – stimmt das? Tiefe ältere Aufnahmen dieses Planetarischen Nebels und seiner Umgebung sind im Web (mit einem „b“) kaum zu finden, und eine oft gezeigte Hubble-Aufnahme war in der 1998 veröffentlichten Version (Mitte) zu stark beschnitten und hatte nur wenig Dynamik. 2013 hatte sich jedoch die Spezialistin für die Bildverarbeitung von Weltraumobservatorien Judy Schmidt der Hubble-Daten nochmals angenommen und eine andere Version erstellt, die im Bild darunter grob auf Webb-Orientierung gedreht wurde. Und extrem getreckt taucht ganz unten doch tatsächlich am Bildrand neben dem Stern ein Teil der Galaxie auf. Schreibt der ERO-Leiter Klaus Pontoppidan diesem Blog dazu: „I am not aware of it being previously catalogued or described as a galaxy before. Of course JWST sees new galaxies wherever it looks, so this one is not special in that sense!“ [17:50 MESZ]

Wie Sie sehen … sehen Sie hier im Wesentlichen nur die Point Spread Function des JWST, auch wenn das Motiv – hier von NIRISS – der Jupitermond Io war: Da geht sicher noch viel mehr, und vom Jupiter von 27. Juli gibt es schon wieder eine neue Verarbeitung. Und auch wieder reichlich neue JWST-Papers, zumeist über den fernen Kosmos: „The brightest galaxies at Cosmic Dawn“, „Red Spiral Galaxies in the Cosmic Noon Unveiled in the First JWST Image“, „Unveiling the Nature of Infrared Bright, Optically Dark Galaxies with Early JWST Data“, „A first look at JWST CEERS: massive quiescent galaxies from 3 < z < 5" (mit einem Thread dazu), „Evidence for lensed, gravitationally bound proto-globular clusters at z=4 in the Hubble Frontier Field A2744“ und „A faint, distant, and cold brown dwarf“. Zu Technik-Tests erschienen ferner „Performance of near-infrared high-contrast imaging methods with JWST from commissioning“ und „JWST/NIRCam Coronagraphy: Commissioning and First On-Sky Results“, es gibt ein Essay von OHB, ein gewagtes Kunstwerk, ein Liedchen über Webb (das Planetarien kostenlos verwenden dürfen) und Artikel hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier und hier, ein Kurz-Video und einen Kinder-Podcast (ab Minute 8). [18:30 MESZ] Zum Wagenrad Vergleiche JWST vs. HST z.B. hier und hier [NACHTRAG: und hier in s/w], auch Senf dazu von der ESO mit MUSE-Datenkuben, noch ein Thread und ein Artikel. [22:30 MESZ]


8. August

„UFO“-Galaxien vom JWST – die Hubble übersah

Das soll hier keine der leider allzu verbreiteten „Iih, was war Hubble schlecht“-Stories sein sondern ist schlichte Physik: Das HST kann nur bis 1.6 µm ins Infrarote schauen, und so bleiben ihm Galaxien, die „zu rot“ sind, schlicht verborgen. Solche „HST-dark“-Galaxien, die mit anderen Teleskopen bei längeren Wellenlängen detektiert wurden, sind schon länger bekannt, aber das JWST sieht sie nun schärfer und empfindlicher – und hat, wie das Paper „JWST reveals a population of ultra-red, flattened disk galaxies at 2<z<6 previously missed by HST" berichtet, einen bislang unbekannten Typ HST-darker Galaxien entdeckt, den die Autoren „Ultra-red Flattened Objects“ (UFOs) nennen: Hier eins der 12 Exemplare in Falschfarben, von Webb mit 1.5 bis 4.4 µm und von Hubble mit 606 nm bis 1.6 µm.

Alle zwölf UFOs des JWST, ebenfalls mit den NIRCam-Filtern F444W, F277W und F150W den Farben R, G und B zugeordnet: Charakteristische Eigenschaften sind eine eher längliche Gestalt – und das Fehlen des für die meisten Galaxien typischen Farb-Gradienten, von röter in der Mitte bis blauer im Außenbereich. Ihre photometrischen Rotverschiebungen liegen zwischen 2 < z < 6, und von der absoluten Größe her entsprechen sie kompakten massereichen Galaxien bei z~2 oder den Kernen massereicher Galaxien in unserer Nachbarschaft. Weiter zurück in die Vergangenheit blickt dagegen das Paper „On the ages of bright galaxies ∼500 Myr after the Big Bang: insights into star formation activity at z≳15 with JWST“: Das typische Alter von 11 UV-hellen Galaxien mit 8 < z < 11.5 liegt bei 30 Mio. Jahren. Damit sind sie jünger als bei z~7 – und umgekehrt sollte es bei z~15 zehnmal weniger Galaxien geben. Was im Konflikt mit den vielen mutmaßlichen JWST-Funden mit sehr hohen Rotverschiebungen wäre, indes …

… kann die photometrischen Bestimmung der Rotverschienbung auch gehörig daneben gehen, wie das Paper „A dusty starburst masquerading as an ultra-high redshift galaxy in JWST CEERS observations“ im oberen Bild exemplarisch an einem Fall aus Webbs Cosmic Evolution Early Release Science Survey (CEERS; in der Mitte ein Teil dieses Feldes mit ein paar netten nahen Galaxien) zeigt: Hier wurden über ein NIRCam-Falschfarben-Bild (1.2 bis 4.4 µm) einer Galaxie Radio-Konturen vom NOrthern Extended Millimeter Array (NOEMA) auf dem Plateau de Bure bei 1.1 mm gelegt, das offenkundig dasselbe Objekt sieht. Allein aus den NIRCam-Aufnahmen wäre eine Rotverschiebung von ca. 18 gefolgt, doch die praktischerweise im Archiv vorhandenen tiefen NOEMA-Daten enthüllen, dass es sich vielmehr um eine staubige sternbildene Galaxie mit z~5 handelt! Von zwei prominenten JWST-Hoch-z-Galaxienkandidaten liegen leider nur schlechtere Radio-Archiv-Daten vor: Der z~16.7-Kandidat (Absätze 1-3) könnte ebenfalls von NOEMA gesehen worden sein, aber am Ort des z~14-Kandidaten (Absatz 5 und jetzt auch Gegenstand dieses Press Releases zu CEERS) sehen weder das JCMT auf Hawaii (bei 850 µm, unten) noch Herschel noch Spitzer etwas: Das unterstützt die Interpretation als Galaxie mit hoher Rotverschiebung.

Weitere Zweifel am z~16.7-Kandidaten – der auch in diesem Paper auf Seite 16 kurz erwähnt wurde und auch in dem Paper „A Comprehensive Study on Galaxies at z~9-17 Found in the Early JWST Data: UV Luminosity Functions and Cosmic Star-Formation History at the Pre-Reionization Epoch“ mitspielt – wird derweil im Paper „Schrodinger’s Galaxy Candidate: Puzzlingly Luminous at z≈17, or Dusty/Quenched at z≈5?“ angegangen: Diesmal sind die Argumente für eine erheblich geringere Rotverschiebung die räumliche Nähe zu mehreren z~5-Galaxien und eine ‚Verschmutzung‘ des Spektrums durch Emissionslinien. Wäre „CEERS-1749“ wirklich eine Galaxie mit z > 16, würde sie – im Gegensatz zu anderen Hoch-z-Galaxien und -Kandidaten auch gar nicht zu Modellen des Galaxien-Wachstums im frühen All passen (Grafik). Papers wie „Stress Testing ΛCDM with High-redshift Galaxy Candidates“ haben wohl nur wenig Aussagekraft, bevor die Zuverlässigkeit der Rotverschiebungs-Bestimmung über NIRCam-Bilder nicht besser abgeklopft ist – die „Schrodinger‘ Galaxy“-Autoren finden allerdings, dass das Vortäuschen hoher z-Werte einen ‚perfect storm‘ widriger Umstände erfordert und die meisten Kandidaten doch echt sein dürften.

Noch mehr ferne Galaxien gefällig? Hier sind die Daten des im März vorgezeigten NIRCam-Bilds mit dem Stern 2MASS J17554042+6551277 neu und in Falschfarbe verarbeitet, und es gibt auch noch die Papers „JWST unveils heavily obscured (active and passive) sources up to z~13“, „A First Look at the Abundance Pattern – O/H, C/O, Ne/O, and Fe/O – in z>7 Galaxies with JWST/NIRSpec“, „JWST NIRCam+NIRSpec: Interstellar medium and stellar populations of young galaxies with rising star formation and evolving gas reservoirs“ (auch ein Thread dazu), „Searching for Extremely Blue UV Continuum Slopes at z=7−11 in JWST/NIRCam Imaging: Implications for Stellar Metallicity and Ionizing Photon Escape in Early Galaxies“ und „In-orbit Commissioning of the Near-Infrared Spectrograph on the James Webb Space Telescope“. Auch die wechselwirkenden Galaxien IC 1623 (eine andere Verarbeitung), das Wagenrad Webbs gegen Hubbles geblinkt, wodurch Eigenbewegungen von Sternen sichtbar werden, und markante Unterschiede im Wesen der Bild-Daten zwischen beiden Weltraum-Teleskopen. [18:40 MESZ]

Drei Vorträge und Chats zu Webb aus den letzten Tagen (im 3. Video mit JWSR am Anfang und Ende kommt bei 1:13:05 ein NLC-Bild dieses Bloggers vor) – und hier und hier gleich noch mehr – auch Astrobiologie mit Webb und Artikel hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier und hier und Webb-Gags hier, hier und hier: Exakt diese Wurstscheibe war aus diesem lahmen Witz von vor vier Jahren geklaut worden (der damals sogar in Deutschland mehrfach ein Thema war) und wurde wiederum hier geklaut … worüber seither mehr (Update) oder weniger (mehr) sinnvoll auf der ganzen Welt geschrieben wird. [21:55 MESZ]


11. August

Die meisten JWST-Galaxien hoher Rotverschiebung falsch?

Die zweite Version des Papers „Discovery and properties of ultra-high redshift galaxies (9<z<12) in the JWST ERO SMACS 0723 Field" von vorgestern hat es in sich: Im Gegensatz zu vielen anderen Webb-Papers des vergangenen Monats, die mit der Kalibrierung der NIRCam von vor dem Start arbeiteten, werden hier die Erkenntnisse aus dem Orbit aus dem Bericht „Characterization of JWST science performance from commissioning“ einbezogen – und die Eichung der Photometrie verschiebt sich deutlich, insbesondere ist der Detektor bei langen Wellen um bis zu 20% empfindlicher als gedacht.

Mit der neuen Kalibration wurde nun abermals das NIRCam-Seitenfeld der ERO-Beobachtungen des Galaxienhaufens SMACS 0723 (oben) ausgewertet, betont konservativ, und sieben Galaxien-Kandidaten mit Rotverschiebungen größer als 9 gefunden, hier der mit dem höchsten z=11.4: unten Bilder durch vier NIRCam-Filter, darüber die abgeleiteten Helligkeiten in verschiedenen Farben und ein angefittetes Spektral-Modell, aus dem die Rotverschiebung folgt.

Hier alle sieben Hoch-z-Funde mit ihren entsprechend abgeleiteten photometrischen Rotverschiebungen – und in drei Fällen auch spektroskopisch bestimmten z-Werten aus dem Paper „A first look at the SMACS0723 JWST ERO: spectroscopic redshifts, stellar masses and star-formation histories“. Auch wenn es in der Tabelle nicht besonders überzeugend aussehen mag, …

… korrelieren die photometrischen und spektroskopischen Rotverschiebungen ganz gut, wenn man alle Galaxien betrachtet – und insbesondere gibt es keine krassen Ausreißer, wo die photometrische Methode ein völlig abweichendes Ergebnis liefert.

Besorgniserregend ist indes der Vergleich der mit der neuen Kalibration bestimmten Rotverschiebungen von Galaxien im selben Feld, in dem zwei andere Arbeiten jede Menge extrem ferne Galaxien gefunden zu haben glauben: hier für die Hoch-z-Galaxien einer Gruppe, die über ihre Funde auch das Paper „Constraining the physical properties of the first lensed z∼10−16 galaxy candidates with JWST“ schrieb: In vielen Fällen ergeben sich nun drastisch geringere z-Werte. Noch krasser ist dies bei einer anderen Arbeit, wo just die vermeintliche z=20.4-Galaxien nun nur noch eine Rotverschiebung von 0.7 hat! Insgesamt werden nur 23% der von anderen behaupteten hohen z-Werte bestätigt, und auch wenn die Autoren schreiben, „there is currently little basis to claim who is the more correct on this matter“, lassen sie keinen Zweifel daran, dass sie ihre eigenen z-Werte für robust halten … wodurch nebenbei auch Widersprüche zwischen vermeintlich zu vieler Hoch-z-Galaxien und kosmologischen Modellen verpuffen: dazu auch Threads der Autoren hier und hier und anderer hier, hier und hier. [21:45 MESZ]

Eine weitere mutmaßliche JWST-Entdeckung in SMACS 0723, diesmal hinter dem Galaxienhaufen selnst: Das Paper „A lensed protocluster candidate at z=7.66 identified in JWST observations of the galaxy cluster SMACS0723-7327“ wähnt dort einen Proto-Galaxienhaufen im Hintergrund mit hoher Rotverschiebung, zu dem nicht nur die beiden bekannten und spektroskopierten rot eingekreisten Galaxien sondern auch weitere sechs grün markierte zu gehören scheinen, deren Farben zumindest zu der Rotverschiebung passen würden. Solche Protogalaxienhaufen wären wichtige Quellen von UV-Strahlung für die Reionisation des Kosmos. Weitere neue JWST-Papers: „Building the First Galaxies – Star Formation Histories at 5 < z < 7", „JWST sneaks a peek at the stellar morphology of z∼2 submillimeter galaxies: Bulge formation at cosmic noon“, „The faintest red sources in the NIRCAM deep fields are intrinsically blue“, „The ultraviolet continuum slopes (β) of galaxies at z≃8−15 from JWST and ground-based near-infrared“, „Detection of Intracluster Globular Clusters in the First JWST Images of the Gravitational Lens Cluster SMACS J0723.3-7327 at z = 0.39“ und „The Sparkler: Evolved High-Redshift Globular Clusters Captured by JWST“ mit einem Thread dazu sowie vier technische zu NIRSpec hier, hier, hier und hier – auch ein JWST-Blog mit Pretty Pictures aus verschiedenen Quellen, Artikel hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier und hier und ein Podcast. [23:55 MESZ]