Archive for März 2010

Beste Sicht auf den Merkur – und die Venus hilft!

31. März 2010

Diese Woche dürfte die beste des ganzen Jahres sein, um den flüchtigen Planeten Merkur am Abendhimmel zu erwischen: Er hat eine ordentliche Elongation und ist sehr hell, so dass er mit hohem Kontrast gegen einen relativ dunklen Dämmerungshimmel gesehen werden kann – und oben links von ihm steht die natürlich noch auffälligere Venus (wie auf diesem Bild von heute 20:50 MESZ aus Königswinter). Die nächsten Tage werden sich die beiden noch näher kommen, wobei die Helligkeit Merkurs allerdings abnimmt: ein S&T Press Release, Science@NASA, Astronomie.info und Artikel von Space.com, Asterythms, Sky & Tel. (beste Grafik!) und Half-Astrophysicist.

Die ersten 8 Bilder des HiWish-Projekts mit dem Mars Reconnaissance Orbiter, bei dem jeder(!) ein Motiv für dessen HiRISE-Kamera vorschlagen kann (siehe ISAN 103-14), wurden heute vorgestellt – wobei die NASA flink einen neuen Link zu der Bildersammlung setzen musste, weil ein Stromauswahl die Rechner des HiRISE-Instituts an der Univ. of Arizona ausgeknockt hatte. Auch auffällig: Nur bei wenigen der Bilder wird der Name des Vorschlagenden genannt – die hatten jeweils Post bekommen, ob sie genannt werden wollten, und viele wollten wohl seltsamerweise anonym bleiben. So wie bei diesem Bild hier von Dünen auf dem Boden der Samara Valles.

Drei Stunden 7-TeV-Kollisionen im LHC schon am ersten Tag!

30. März 2010

Gegen 13:00 MESZ war es so weit: Zum ersten Mal kollidierten heute – nach zwei „Fehlstarts“ am Vormittag – zwei Protonenstrahlen mit je 3.5 TeV Energie im Large Hadron Collider des CERN, und erst nach gut drei Stunden und einer halben Million aufgezeichneten Kollisionsereignissen (Bild: eins der ersten, beobachtet von CMS; von einer Pressekonferenz) sind die Experimente für heute beendet worden. Nun hat also die Ära der richtigen Physik begonnen: CERN, STFC, UCL und BNL Press Releases, PMn der Unis Mainz und Heidelberg, ein Live-Blog, weitere Screenshots, die den Hauptkontrollraum kurz vor den Kollisionen, die schrittweise Ausrichtung der Strahlen aufeinander, den Kontrollraum nach erfolgreicher Ausrichtung, das ATLAS-Team und den CERN-Chef beim Feiern der ersten Kollisionen und die Kontrollräume der 4 Experimente während der Fortsetzung der Experimente zeigen, Plots von ATLAS, CERN-Fotos aus dem Hauptkontrollraum, Artikel von New York Times, Nature Blog, Astronomy Now, Discovery, BBC, Universe Today, CNN, Spiegel und Tagesschau von heute und Pressemitteilungen der Uni Mainz und der RWTH Aachen und ein Welt-Artikel von gestern.

Don Machholz has found his 11th comet!

28. März 2010

Einige Links zu der – wie auch die anderen 10, visuellen! – Entdeckung und anderen Himmelsevents der vergangenen Woche in Cosmos 4 U!

Nachrichten aus der Astrophysik kompakt

28. März 2010

Der Eulennebel M 97 aus Sicht des Teleskops Gemini North mit dem Gemini Multi-Object Spectrograph (GMOS): Das Bild entstand im Rahmen eines kanadischen Schülerwettbewerbs, bei dem der Gewinner in einem Essay beschreiben musste, warum gerade dieses Objekt einer Aufnahme wert sei.

Warum wurde die Umlaufsperiode von U Sco kleiner nach dem vorletzten Ausbruch?

Während die wiederkehrende Nova 1999 ausbrach, nahm die Bahnperiode der beiden beteiligten Sterne geringfügig ab – während man doch eigentlich erwarten sollte, dass sie zunimmt, weil Materie aus dem System geschleudert wird und Drehimplus davonträgt. Ein kompliziertes Modell mit einem starken Magnetfeld, das die Materie in Korrotation zwingt, könnte den 1999-er Effekt vielleicht erklären: Der aktuelle Ausbruch von U Sco sollte es testen können. (Martin & al., Preprint 22.3.2010. Und Simonson, Simostronomy 12.1.2010 über die wiederkehrende Nova T Pyx, die uns nicht bedroht …)

Symbiotischer Stern V407 Cyg erlebt(e) hellen Nova-Ausbruch: Normalerweise ist er nicht heller als 13 mag. und oft sogar schwächer als 17 mag., doch Mitte März widerfuhr dem kuriosen Stern plötzlich ein klassischer Nova-Ausbruch, der ihn bis zu 6.8 mag. hell werden ließ; inzwischen sind’s nur noch 10 mag. (Simonson, Sky & Tel. 23., Fischer, Cosmos4U 22., Simonson, Simostromony 21.3.2010. Und ein NRL Release über den Satelliten Fermi als msec-Pulsar-Entdecker)

Eine 3D-Karte des Interstellaren Gases

in 300 pc Sonnenumgebung ist durch Messung von Absorptionsfeatures in Richtung von 1857 Sternen erstellt worden: Die Local Cavity ist demnach von zahlreichen Filamenten teilweise ionisierten Gases durchzogen und hat auch eine löchrige „Wand“ – hier führen „Tunnel“ wieder in andere Cavities. (A&A Press Release 9., Centauri Dreams, Discovery 10.2.2010. Und Opher & al., Nature 462 [24.12.2009] 1036-8 und Science@NASA 23.12.2009, 15.1.2010 zum Rand zwischen Heliosphäre und lokalem ISM)

Zwei neue „ultra-schwache“ Begleitgalaxien der Milchstraße sind Pisces II und Segue 3, die in der Sloan Digital Sky Survey aufgespürt wurden: Pisces II hat einen Durchmesser (halbes Licht) von 120 pc, Segue 3 nur von gerade einmal 6 Parsec. (Belokurov & al., Preprint 2.2.2010)

Der Magellansche Strom ist länger als gedacht

Der Gaskanal, der die beiden Magellanschen Wolken verbindet und sich um die Milchstraße windet, ist nach kombinierten Daten mehrerer Radioteleskope ein durchgehendes Gebilde, 40% länger als man bisher wusste und mit 2.5 Mrd. Jahren auch älter. Damit ergibt sich aber auch ein neues Szenario für seine Entstehung: Damals begegneten sich die beiden Nachbargalaxien der Milchstraße, lösten gegenseitig starke Sternentstehung aus – und die nachfolgenden Supernovae trieben das Gas in den Raum. (NRAO Release 4.1.2010)

Zwei weitere „Gezeiten-Ströme“ in der Andromeda-Galaxie sind von der SPLASH-Kollaboration entdeckt worden, die sich mit dem Halo von M 31 auseinander setzt: Auch hier sind Zwerggalaxien zerrissen worden, wie sich nach heutiger Sicht überhaupt der gesamte Halo von Galaxien aus ehemaligen Zwerg-Begleitern zusammensetzt. (UCSC Release 7., Subaru Release 22.1.2010)

Galaxien-Durchmusterung passt zu Allgemeiner Relativität

Drei kosmologische Messgrößen zur räumlichen Verteilung von Galaxien und der Materie insgesamt (die sie durch eine schwache Gravitationslinsenwirkung auf ferne Galaxien verrät) lassen sich zu einer dimensionslosen Zahl verbinden, die im wesentlichen proportional zur mittleren Dichte des Alls und umgekehrt proportional zu Wachstumsrate von großen Strukturen ist: Ihr Wert beträgt nach einer neuen Analyse der Sloan Digital Sky Survey 0.39±0.06 auf Skalen von dutzenden Megaparsec, währen die Allgemeine Relativitätstheorie 0.41±0.03 voraussagt. Damit sind zwar noch längst nicht alle Erweiterungen oder alternativen Gravitationstheorien vom Tisch, manche aber schon. Und Galaxiendurchmusterungen der nächsten 10 Jahre sollten noch viel schärfere Tests ermöglichen. (Reyes & al., Nature 464 [11.3.2010] 256-8, Tyson, ibid. 172-3, Berkeley Release, Physics World, Scientific American 10.3.2010)

Vor 6 Mrd. Jahren sah über die Hälfte der heutigen Spiralgalaxien seltsam aus, zeigen tiefe Hubble-Aufnahmen: Das stützt die Vermutung, dass Galaxien-Verschmelzungen bei der Entwicklug der Spiralen eine gewichtige Rolle gespielt haben. Allerdings war man davon ausgegangen, dass bereits vor 8 Mrd. Jahren die Kollisionsrate stark nachgelassen hatte. Und bei Simulationsrechnungen zur kosmischen Evolution kommt die heutige Hubble-Sequenz der Galaxien auch ohne Fusionen heraus. (R.A.S. Release 8.1., HST Release 4., S&T 16.2.2010)

Das IYA hier & anderswo: Eine Bilanz der Bilanzen

28. März 2010

anhand des deutschen Nachtreffens zum Internationalen Jahr der Astronomie (das Bild zeigt die Teilnehmer bei einer verdienten Kaffee-Pause, vorne links Stargast Jean-Luc Dighaye von EurAstro – Anklicken liefert ein Bild aus derselben Perspektive 26 Monate früher von einem der ersten IYA-Meetings in Bonn …) und der Konferenz CAP 2010, über die dort ganz frisch berichtet wurde, sowie Links auch zu vielen anderen Aspekten in Sachen Astronomie & Öffentlichkeit der letzten 5 Wochen im neuen Astrojahr-Posting!

Nachrichten aus der Raumfahrt kompakt

27. März 2010

Opportunity ist nun 20 km weit gefahren – und trifft jetzt eigene Entscheidungen, welcher Stein interessant ist

JPL

Am 24. März hat der Kilometerzähler des Marsrovers Opportunity – der, man erinnert sich vielleicht noch vage, 600 Meter weit kommen sollte – die Marke 20 Kilometer überschritten, und es geht inzwischen sogar noch schneller voran: Dank neuer Software kann „Oppy“ neuerdings selbst entscheiden, welche Steine entlang des (noch 12 km langen) Weges zum Krater Endeavour interessant genug für Detailaufnahmen sind. Die neue Software AEGIS (Autonomous Exploration for Gathering Increased Science), an die bei der Landung vor 6 Jahren auch noch nicht zu denken war, analysiert gleich an Bord Bilder der Übersichtskameras und wählt Ziele für Aufnahmen mit der besseren Panoramakamera aus, nach einem Katalog von festgelegten Kriterien.

Früher musste dies immer auf der Erde entschieden werden, was Zeit kostete, aber AEGIS hat bei ersten Tests prompt genau diejenigen Steine ausgewählt, die sich auch die lebenden Forscher ausgesucht hätten. Nur wissenschaftliche Papers über die Funde schreibt Oppy noch nicht selber, der inzwischen den kleinen und besonders frischen Krater Concepción nach eingehenden Untersuchungen des vom Impakt freigelegten ungewöhnlichen Gesteins wieder verlassen hat. Das Bild zeigt eine MRO-Aufnahme von Krater und Rover (kleiner Punkt darüber) sowie Strahlen von Auswurfmaterial: Sie erscheinen dunkel, weil es größere Brocken enthält, die Schatten werfen. Der andere Marsrover Spirit meldet sich derweil immer noch regelmäßig … (JPL Releases 24., nochmal 24., 23., AW&ST Blog 26., SF Chronicle 25., Universe Today 24., Barsoom Tales 23.3.2010)

Die aktuelle Serie der Phobos-Vorbeiflüge des Mars Express ist vorbei, nachdem der ESA-Orbiter gestern zum 12. und letzten Mal an dem Marsmond vorbei gehuscht ist. Etwa alle 5 Monate kommt es zu solch einer Serie, aber die geometrischen Bedingungen sind jedes Mal andere: Weniger als 100 km an Phobos heran kommt der Mars Express erst wieder im Januar 2011. (ESA Phobos Blog 26.3.2010)

CICLOPS

Das wohl beste Bild vom Saturnmond Calypso gelang dem Orbiter Cassini am 13. Februar aus 21’000 km Entfernung: Die Oberfläche des 21-km-Mondes – eines Trojaners von Tethys – ist ungewöhnlich glatt und arm an Impaktkratern, wofür der E-Ring des Saturn sorgen dürfte. Derweil gibt es genaue Messungen & Modelle der Transportprozesse zwischen den Enceladus-Geysiren („Die überzeugendsten …“) und dem E-Ring des Saturn.

Asteroiden-Sampler Hayabusa bereits im Zielanflug auf die Erde: Ankunft Mitte Juni erwartet

Seit einem Jahr arbeitete das Ionentriebwerk der japanischen Asteroidensonde („Hayabusa kommt …“) unermüdlich, um die Bahn für die Ablieferung der Probenkapsel mit vielleicht ein paar Körnchen von Itokawa über dem australischen Testgelände von Woomera vorzubereiten. Hayabusas Bahn wurde bereits so weit angepasst, dass die Sonde – fiele jetzt alles aus – die Erdoberfläche um nur noch einen Erddurchmesser verfehlen würde. Heute wird das Ionentriebwerk abgeschaltet, und nur noch kleine Kurskorrekturen sind nötig, dann könnte – voraussichtlich am 13. Juni – tatsächlich die Kapsel abgeworfen werden, während die Sonde in der Atmosphäre verglüht. (Updates aus Japan auf Englisch hier und hier; Planetary Soc. Blog 26., 23., Spaceflight Now 13.3.2010) NACHTRAG: auch S&T über die Rückkehr.

Die Instrumente des Solar Dynamics Observatory erwachen zum Leben, heute soll auch die letzte Klappe geöffnet werden, und Mitte April werden voraussichtlich die ersten Bilder des neuen Sonnensatelliten vorgestellt. Das SDO hat inzwischen den endgültigen geosynchronen (aber um 28° geneigten, was viel Sprit sparte) Orbit erreicht – und auf dem Weg dorthin bei der Durchquerung der van-Allen-Gürtel mit einem der EVE-Detektoren unerwartet sogar ein paar Messdaten eingefangen. (Status-Berichte; Universe Today 24.3.2010)

Virgin Galactic

Das erste SpaceShipTwo zum ersten Mal in der Luft – aber bei dem Testflug am 22. März blieb das „Virgin SpaceShip Enterprise“ (in der Mitte, mit dem großen Leitwerk) die ganze Zeit fest mit dem Trägerflugzeug WhiteKnightTwo „Eve“ verbunden. Wann es das erste Mal ausgeklinkt werden soll, wird nicht verraten – und es scheint bisher auch keinerlei Fotos des SS2 alleine zu geben. (Virgin Galactic, Virgin Releases, Branson Blog, ein unabhängiges Foto [mehr], ein Video und Artikel von Spaceflight Now, Cosmic Log, Universe Today, Space.com, CollectSpace, Space Today Raumfahrer und Raumfahrtzeitung) NACHTRAG: noch’n später Artikel zum Flug.

Das Vereinigte Königreich hat ab dem 1. April eine eigene Weltraumbehörde

die sich UKSA – United Kingdom Space Agency – nennen wird. Und dieselben rund 270 Mio. Pfund im Jahr verwalten soll, die auch bisher in die britische Raumfahrt fließen: Eine Etaterhöhung geht mit der neuen Struktur nicht einher, aber es wird u.a. eine stärkere Verhandlungsposition gegenüber der ESA (an die rund 85% fließen) erhofft. Viel Spott hat bereits das Logo der UKSA geerntet, das die einen an die Sitcom Dad’s Army, die anderen an Dr Who erinnert … (BNSC, BIS, ESA Releases und Artikel von BBC, Reuters, Physics World, Space News, Indep., Telegr., Scient. Am., Wired, Nature Blog, AW&ST, Space.com, Daily Mail, Sun, New Sci. Blog, Univ. Today, Guardian, Astron. Now, Strudel, Andyxl und Space Today) NACHTRAG: Am 31. März ging die Homepge der UKSA online.

Das Navigationssatellitensystem Galileo wird kaum vor 2016-19 voll einsatzfähig sein, deutet sich nach Lieferverzögerungen der IOV-Satelliten (In-Orbit Validation) an – schon wird überlegt, ab wie vielen der vorgesehenen 27 operationellen Satelliten (zzgl. 3 Ersatzsatelliten im Orbit) die Konstellation bereits welche Aufgaben erfüllen könnte. (Space News 10.3.2010)

Entdeckung des Bonner MPI für Radioastronomie in amerikanischen TV-Krimi erwähnt!

26. März 2010

In der US-Krimiserie NUMB3RS trägt stets trickreiche Mathematik zur Lösung der Fälle bei: Entsprechend viele Akademiker spielen mit, wobei die Figur Larry Fleinhardt öfters auch mal astronomische Bemerkungen fallen lässt – die durchweg genau so gut recherchiert sind wie die mathematischen Methoden. Gestern lief in Deutschland die erste Episode der 6. (und vielleicht letzten) Season, Hangman bzw. Der Heckenschütze – in der sich Fleinhardt über Moleküle im Galaktischen Zentrum äußert. Gemäß der Untertitel des Originals sagt er (in Minute 10:26): „The max planck institute aimed a radio telescope at the particular cloud in the middle of the milky way. They were looking for amino acids. Do you know what they found? Ethyl formate. Which happens to be the same chemical that gives raspberries their flavor. The milky way tastes like raspberries.“

„The Max Planck Institute“ und „radio telescope“ konnte sich natürlich nur auf das MPI für Radioastronomie in Bonn beziehen – und ein MPIfR-Forscher war tatsächlich letztes Jahr 1. Autor eines Papers (als Preprint seit Februar 2009 verfügbar) mit dem ersten Nachweis von Ethyl formate, also Ameisensäureethylester, in der Molekülwolke Sgr B2. Das war auch Gegenstand einer PM des MPIfR: Dass das Molekül Himbeeren (teilweise) ihren Geschmack verleiht, war dort nicht zu finden, wohl aber – ebenfalls im April 2009 und nach einer Bemerkung des Autors – im britischen Guardian und in der Folge dann im Scientific American oder einem britischen Blog. Die Assoziation taucht seither gelegentlich wieder auf, z.B. in diesem oder diesem Artikel. Das „Milky Way tastes like raspberries“-Zitat aus NUMB3RS wiederum fanden dieser und dieser Blogger erwähnenswert: So kann man auch astronomische Erkenntnisse unter die Massen streuen …

Als der Mondmann nach Oberhausen kam

24. März 2010

Auch altgediente Weltraumfans waren sich einig: So etwas gibt es – auf deutschem Boden zumal – nur ganz selten. Der gerade 78 gewordene Apollo-12-Pilot Alan Bean erwies sich bei der Übergabe eines Mondsteins an das Gasometer Oberhausen heute Nachmittag als ungemein eloquent und witzig und ließ die 40 Jahre zurückliegenden Apollo-Missionen wieder lebendig werden. Zuerst wurde eine Kiste präsentiert (mit einem Schild: Eigentum der US-Regierung – falls Sie sie gefunden haben, bitte nach Houston schicken), auf die eigens ein spezieller Wachdienst aufpasste, dann der kleine Mondstein herausgehoben, der von der Mission Apollo 15 stammt: zwar ein „Wander-Exponat“, aber ein eher selten gezeigtes. Mit auf der Bühne (Bild) der deutsche Astronaut Thomas Reiter, als Vertreter des DLR als maßgeblicher Kraft hinter der Ausleihe aber auch Repräsentant der nächsten Generation von Raumfahrern.

Und auch die (vielleicht) übernächste hing an Beans Lippen, als er hernach zu einem kurzen aber fulminanten Vortrag über seinen Mondflug im November 1969 schritt: Und da hatte sich das DLR noch Sorgen gemacht, ob die heutige Jugend mit den Mondmännern ihrer Großelterngeneration überhaupt noch etwas anfangen könne. Auch mehrere Schulklassen waren im Publikum und merklich angetan, übrigens gleichermaßen von dem seltenen Gast wie dem seltenen Stein. Bean illustrierte seine anekdotenreichen Ausführungen fast nur mit seinen Gemälden, die mal auf Missionsfotos basieren, mitunter aber auch Szenen zeigen, die keine Kamera festhielt (etwa als einer der beiden Apollo-12-Mondmänner dem gestrauchelten anderen nur mit einem Finger wieder auf die Beine half).

In seinem Bildern verwendet Bean übrigens gerne ein paar Körnchen Mondstaub, in deren Besitz er überraschend gelangt war, nachdem ihm die NASA das kleine – schmutzige! – US-Fähnchen von seinem Raumanzug zugeschickt hatte. (Davon hat er im Lauf der Jahre immer mehr abgeschnitten, um den Staub herauszufiltern, so dass inzwischen von den Stars & Stripes nur noch die Stars übrig sind …) Am beeindruckendsten empfand Bean während der Mission die große aber doch so ferne Erde und dass dort wegen des Farbkontrasts nur große Wüsten, nicht jedoch vegetationsreiche Gegenden wie Florida (oder auch Deutschland) auffielen. Und den faszinierten Beobachter der Ereignisse in Oberhausen erstaunte am meisten der schon lange nicht mehr bei einem Weltraumereignis in Deutschland beobachtete Kampf etlicher Fotografen und Kameraleute um die besten Plätze, auch nachher noch, als sich alle um den kleinen Mondstein balgten: Der ist noch bis zum 13. April im Gasometer genau unter dem Südpol des 25-m-Mondes zu sehen.

Nachrichten aus der Astrophysik kompakt

23. März 2010

Ein sehr kühles Binärsystem mit nur 500 K bei einem der Partner

aber leider nur sehr ungenau bestimmten Parametern ist SDSS J1416+13AB: Insbesondere weil die Entfernung noch nicht direkt per Parallaxe bestimmt werden konnte (was wegen der vermuteten Sonnennähe aber bald gelingen sollte), sind die Massen von 30 und 75 Jupitern und Temperaturen von 500 bis 600 und 1500 K der beiden Braune Zwerge noch mit einiger Vorsicht zu genießen. (Burningham & al., Preprint 25., Scholz, Preprint 28., Herts, R.A.S. Releases 29.1., Welt der Physik 2.2.2010)

Mehrere Wege führen wohl zu ‚Blue Stragglern‘ in Kugelsternhaufen, zeigen Untersuchungen an M 30 und NGC 188: Sowohl Sternkollisionen bei besonders hoher Sterndichte wie auch verschmelzende Binärsysteme können diese unerwartet massereichen Sterne produzieren. (Davies/Ferraro & al./Mathieu & Geller, Nature 462 [24.12.2009] 991-2/1028-35, ESA HST, ESA Releases 23.12.2009)

Schon wieder eine neue Klasse von Nova-Explosionen

ist identifiziert worden, eine Unterklasse der schwachen und schnellen Novae, die einem speziellen Suchprogramm mit dem 60″-Spiegel des Palomar Observatory für schnelle Veränderliche ins Netz ging und Eigenschaften hat, die man bisher nicht kannte. In Absoluthelligkeit wie Geschwindigkeit spannen Novaexplosionen jeweils zwei Größenordnungen auf – und ihre Eigenschaften scheinen von gleich vier Parametern (Masse des Weißen Zwergs, Temperatur, Chemie und Akkretionsrate) abzuhängen. (Kasliwal & al., Preprint 8.3.2010)

Der Ausbruch von P Cygni im 17. Jh. kam durch Massentransfer von einem B-Stern zustande, der den Luminous Blue Variable begleitet, sagt ein neues Modell – nachdem alle großen Ausbrüche dieser LBVs durch Wechselwirkung mit einem Begleiter verursacht werden. (Kashi, Preprint 23.2.2010)

Neue Supernova-Klasse mit Helium-Detonation auf einem Weißen Zwerg beobachtet?

Die SN 2002bj entwickelte sich außergewöhnlich schnell, erreichte eine Helligkeit von -18M und hatte ein Spektrum, das nur entfernt an eine Supernova des Typs Ia erinnerte: Vielleicht steckte ein bis dahin nur vermuteter Vorgänger dahinter, eine Detonation von Helium auf einem Weißen Zwerg, bei der nur wenig Material abgesprengt wird. Dieser noch wenig erforschte Mechanismus wird auch aus „.Ia SNe“ bezeichnet, weil nur 1/10 der Helligkeit einer typischen Ia erreicht wird und auch die Dauer der Explosion nur 1/10 so lang ist. (Poznanski & al., Science 327 [1.1.2010], Keck, Berkeley, NSF Releases 5.11.2009)

Relativistische Geschwindigkeiten in Supernova-Explosionen sind bei SN 2009bb vom Typ Ibc und SN 2007gr (Ic) nachgewiesen worden: So etwas kannte man bisher nur von Sternexplosionen, bei denen es auch zu einem Gammaburst kam, aber das war hier nicht der Fall. (Soderberg & al./Paragi & al., Nature 463 [28.1.2010] 513-8, CfA, NASA, JIVE, NRAO Releases, Megan’s Blog 27.1.2010)

Die Röntgenhelligkeit der SN 1987A in der LMC steigt immer weiter

mit fortschreitendem Eindringen der Schockwelle der Supernova in den zirkumstellaren Ring um das Vorgängersystem, zeigen XMM-Beobachtungen über die Jahre: Die Entstehung eines frischen Supernovarests kann weiter in allen Einzelheiten verfolgt werden! Inklusive solcher Details wie der Veränderung von Plasma-Parametern über die Jahre hinweg. (Sturm & al., Preprint 9.2.2010)

Eine „Hubble-Diagramm“ mit Supernovae des Typs II-P, das nur um 0.1 bis 0.15 mag. streut und diesen Typ Sternexplosionen als mögliche Standardkerze für kosmische Entfernungsmessungen hat sich im Nahen Infraroten aufstellen lassen: Da korreliert nämlich die absolute Maximalhelligkeit schön mit der Expansionsgeschwindigkeit. Ob die II-er SNe allerdings den Ia-SNe das Wasser reichen können, wird sich noch zeigen müssen. (Maguire & al., Preprint 16.12.2009)

Die Sternentstehungsrate der Milchstraße liegt bei 2/3 bis 1 1/2 Sonnenmassen im Jahr

Das ergibt sich aus der Statistik von rund 20’000 Young Stellar Objects, die im Rahmen der Himmelsdurchmusterung GLIMPSE des Spitzer Space Telescope – neben 100 Mio. anderen Sternen – gezählt wurden. Da die Milchstraße heute 100 Mrd. Sterne enthält, muss die Sternbildungsrate früher einmal wesentlich höher gewesen sein, für eine ausgewachsene Galaxie ist eine Sonnenmasse pro Jahr aber ein typischer Wert. (Spitzer Press Release 10.3.2010)

Das Magnetfeld nahe des Galaktischen Zentrums hat mindestens 50 µG, hat eine neue Analyse des nichtthermischen Radiospektrums ergeben, und wahrscheinlich liegt der Wert sogar nahe 100 µG: Über 10% der magnetischen Energie der Galaxis würden dann in weniger als 0.05% ihres Volumens stecken. (Crocker & al., Nature 463 [7.1.2010] 65-7)

Massen von Andromeda-Galaxie und Milchstraße nicht zu unterscheiden

Auch die Bahnen zahlreicher Zwerggalaxien im Orbit um die beiden Galaxien haben nicht zu entscheiden geholfen, welche die größere Masse hat: Die der Milchstraße kann demnach irgendwo zwischen 1.2 und 2.7 Billionen Sonnenmassen liegen – entweder über oder unter der den deutlich besser zu bestimmenden 1.3 bis 1.6 Billionen Sonnenmassen von M 31. (Watkins & al., Preprint 24.2.2010)

Junge Galaxie torpedierte ihre eigene Sternentstehung: In SMM J1237+6203 kam es schon früh zu derart heftigen Explosionen, dass alles für die weitere Sternentstehung nötige Gas schlicht hinaus geblasen wurde. (R.A.S. Press Release 10.3.2010)

Eis-Teleskop IceCube „sieht“ den Schatten des Mondes

Das Neutrinoteleskop am Südpol hat mit 40 ‚Strings‘ voller Photomultiplier zum ersten Mal eine Empfindlichkeit erreicht, dass sich die Abschattung der Kosmischen Strahlung durch den Mond tatsächlich bemerkbar macht: Es schießen weniger Myonen durch den überwachten Eisblock. (Boersma & al., Preprint 7.3.2010)

Aktive Galaxien sorgen für weniger als 30% der Gamma-Hintergrundstrahlung, die der Fermi-Satellit sieht: Zwischen 0.1 und 100 GeV spielen die ehemals führenden Kandidaten für die Gesamtheit dieses schwachen extragalaktischen Glühens nur eine minimale Rolle, hat die aufwändige Analyse der Beobachtungen – der helle galaktische Vordergrund musste sorgfältig subtrahiert werden – ergeben. (LAT Collaboration, Preprint 3., NASA News 2.3.2010)

Erste 7-TeV-Kollisionen im LHC ab dem 30. März

23. März 2010

In genau einer Woche soll zum ersten Mal versucht werden, im Large Hadron Collider zwei Protonenstrahlen mit je 3.5 TeV Energie zur Kollision zu bringen, nachdem diese Energie am Freitag erreicht worden war („Mit großen …“). Bis zu einem Routinebetrieb mit Kollisionen ohne Ende dürfte es aber noch dauern, auch beim LHC-Vorgänger LEP klappte es nicht schon am ersten Tag. Gleichwohl ist für den 30. März ein ähnlicher PR-Wirbel geplant wie 2008 anlässlich der allerersten Strahlen im Tunnel: Da es diesmal um Kollisionen geht, darf man – vor Ort bzw. per Webcast – auch auf Live-Daten aus den großen Detektoren hoffen. NACHTRÄGE: Nature News zu den sozialen(!) Aspekten des LHC mit seiner Unmenge an Wissenschaftlern und ein UCLA Press Release zu den Erwartungen.

10±4 Neutrinos aus dem Inneren der Erde aufgefangen

hat der Borexino-Detektor im Gran-Sasso-Motiv: Mit einer Wahrscheinlichkeit von 99.997% ist damit der erste direkte Nachweis vom von radioaktivem Zerfall tief im Inneren der Erde gelungen, der nach den Zahlen für 50 bis 100% ihrer inneren Wärmequelle sorgt, welche wiederum die Triebfeder manch geologischen Prozesses ist. Im Prinzip scheint der Nachweis solcher Geoneutrinos auch schon 2004 mit dem japanischen KamLAND-Detektor gelungen zu sein, doch er hat wegen der vielen Kernkraftwerke in der Umgebung einen enormen Hintergrund – im Gegensatz zum Borexino-System, das auch sonst besonders frei von radioaktivem Material gehalten wurde.

Die Geoneutrinos stammen im Wesentlichen vom Zerfall von Uran und Thorium etc., wenn auch quantitative Aussagen noch vage bleiben: Weitere Messungen, auch mit anderen Neutrinodetektoren rund um den Globus, sollten demnächst einen noch klareren Blick durch dieses neue Fester (neben Seismologie und Schwerkraftmessung) ins tiefe Erdinnere erlauben. Dass dort ein Kernreaktor für die innere Wärme sorgt, schließen die Borexino-Daten aber schon jetzt aus. (Borexino Collab., Preprint 20., MPI für Kernphysik PM 15., PhysOrg 16., Welt der Physik 19.3.2010, ASPERA Newsletter 3/2010) NACHTRAG: Die Japaner sagen, ihre Daten wären schon genau so klar gewesen.

Vage – astrophysikalische! – Hinweise auf „sterile“ Neutrinos sehen manche in Daten des Chandra X-ray Observatory und auch des WMAP-Satelliten, dessen 7-Jahres-Daten mit 4 statt der allgemein akzeptierten 3 Neutrino-Familien vereinbar sind; Laborexperimente sprechen allerdings eher gegen die zusätzliche (und noch viel schwerer direkt nachzuweisende) Neutrino-Variante. Auch hier bleibt das Gesamtbild konfus. (Nature 17.3.2010 S. 334-5)

Die Korrelation von UHECRs und AGN schwindet

Zwar mag man das Teilchen der Kosmischen Strahlung mit der höchsten je gemessenen Energie einem Quasar zuschreiben („Kam das Auger-Teilchen …“), doch eine 2007 publizierte Korrelation dieser UHECR-Teilchen mit Aktiven Galaxien-Kernen ist seither immer schwächer geworden: Weniger als 40% passen jetzt noch. Dafür scheinen aber überraschenderweise Eisen-Kerne einen wesentlichen Anteil auszumachen, was wiederum andere Experimente nicht bestätigen – das Bild der Kosmischen Strahlung höchster Energie wird im Augenblick wieder konfuser … (Back Reaction 8.11.2007, Science News 4.5., 18.6.2009, Pierre Auger Collab., Preprint 3., Nature 22.2.2010 S. 1011)

„Dunkle Materie auf dem Schreibtisch“ – na ja, nicht ganz: Vielmehr hat sich herausgestellt, dass sich sogenannte topologische Isolatoren ähnlich verhalten wie die hypothetischen Axionen, einer der populäreren Kandidaten für die Dunkle Materie des Universums. Laborexperimente könnten so immerhin helfen, die Eigenschaften der Axionen besser zu beschreiben, was wiederum der astronomischen Suche nach ihnen dienen mag. (SLAC Press Release 15.3.2010)