Archive for August 2011

Elf Bilder vor einer Urlaubs-Pause (1-2 Wochen)

26. August 2011

Die Amerikas heute um 16:45 MESZ vom Wettersatelliten GOES-13 aufgenommen: dominant an der Ostküste der USA der Hurrikan Irene, der auch auf Weltraumbildern hier, hier und hier zu sehen ist.

Winterliches Patagonien vom Satelliten Aqua am 21. August aufgenommen – man beachte die unterschiedlich gefärbten Seen am Fuß der Anden-Gletscher. Hier war auch vor 13 Monaten das Finale der letzten Totalen SoFi – bei ähnlich tollem Wetter.

Der abnehmende Mond über Afghanistan von der ISS aus am 22. August gesehen.

Der Schatten Opportunitys auf Tisdale, einem der kuriosen Felsen am Rande des Kraters Odyssey, dem sich der Marsrover schon seit Tagen mit seinem Instrumentenarm zuwendet – das dauert.

Der Zentralberg von Vestas großem südlichem Impaktkrater auf einer Dawn-Aufnahme vom 12. August. Die geologische Kartierung aus dem Survey Orbit läuft nun schon Wochen – aber noch ist kein einziges Bild der dabei dominanten IR-Kamera VIR veröffentlicht worden: Alle täglichen Bilder sind von der Framing Camera.

Ganz neue Aufnahmen des Saturnmonds Hyperion, an dem Cassini gestern in 25’000 km Abstand vorbei geflogen ist und dabei bisher unbekanntes Terrain zu sehen bekam; aus vier Rohbildern wie den hier gezeigten wurde schon ein Mosaik der Hyperion-Sichel gebastelt.

Infrared Dark Clouds nehmen selbst dem Satelliten WISE die Sicht, der sonst durch viel interstellaren Staub und Gas schauen konnte, hier IRDC G11.11-0.11: Das Material ist hier so dicht und kalt, dass es auch für WISEs IR-Augen undurchsichtig bleibt.

Die Starburst-Balkengalaxie NGC 2146 auf einer HST-Aufnahme mit der ACS: Offenbar die Schwerkraft einer anderen Galaxie hat ihre Spiralarme um bis zu 45° verbogen.

Die ‚beschädigte‘ Virgo-Galaxie NGC 4438 auf einer VLT-Aufnahme: Die Begegnung mit der kleineren NGC 4435 u.r. oder auch Messier 86 – außerhalb des Gesichtsfelds – hat vor einiger Zeit riesige Sternströme aus ihr gerissen.

Nachrichten aus der Raumfahrt kompakt

26. August 2011

Großer Sonnensegler 2015 unter drei NASA-Projekten

Rund 175 Mio.$ wird die NASA – nach einem unklaren Schlüssel – unter drei Technologieprojekten aufteilen, die im Zeitraum 2015-16 als Huckepack-Passagiere bei anderen Missionen abheben sollen: einer Laser Communications Relay Demonstration, einer Deep Space Atomic Clock und einem Sonnensegel-Demonstrator mit 7-mal größerer Segelfläche als bei allen anderen Seglern, die bisher im Weltraum waren (womit wohl Japans IKAROS und das NanoSail D gemeint sind). Letzteres Projekt wird dabei der Firma L’Garde übertragen, in Zusammenarbeit mit dem US-Wetterdienst NOAA, der auch für das Weltraumwetter zuständig ist. (NASA Release, Nature Blog 22.8.2011. [NACHTRAG: In diesem langen Review des Sonnensegelns fehlt L’Garde – Pech gehabt …] Und Russian Space Web zur weiter schwierigen Inbetriebnahme des Radioastronomie-Satelliten Spektr-R, dem es zu kalt ist)

Alles grün für den Start der GRAIL-Mondorbiter am 8.9.

Das Paar – das im Stil der GRACE-Erdorbiter – das Schwerefeld und damit Innenleben des Mondes mit unerreichter Präzision vermessen soll – sitzt bereits auf der Delta II in Cape Canaveral: Vom 8. September bis 19. Oktober gibt es jeden Tag zwei instantane Startmöglichkeiten, am 8.9. um 14:37 und 15:16 MESZ. Die Reise zum Mond dauert dann 3 1/2 Monate, und erst nach allerlei Manövern ist die Kreisbahn der beiden – in im Mittel 200 km Abstand voneinander – in 50 km Höhe erreicht. (JPL Releases 25., 18.8.2011; Planetary Society Blog 25., Discovery 22., Planetary Society Blog18.8.2011)

Juno auf bestem Kurs zum Jupiter: Der Start am 5.8. war so perfekt verlaufen, dass ein ‚clean-up maneuver‘ Ende des Monats gestrichen werden konnte! Alle zu bewegenden Teile – der Deckel vor den Triebwerken, die Solarzellen und die Antennen eines Instruments – sind in Position, und die Flugkontrolle lernt derzeit ihr Vehikel besser kennen, bei zur Zeit noch täglichen Funkkontakten. (Spaceflight Now 15.8.2011)

Progress-Crash größeres Problem für Soyuz als ISS

Der erste Fehlstart in der gesamten Geschichte der ISS und der erste von insgesamt 44 eines Progress-Transporters zu irgendeiner Raumstation seit 1978, bei dem vorgestern 2.6 Tonnen Versorgungsgüter für die ISS verloren gingen, stellt weniger ein akutes Problem für deren Besatzung dar: Die ist nach den letzten Shuttle-Besuchen gut versorgt, und das letzte ATV hat auch die Bahn der Station ordentlich angehoben. Aber die Soyuz-Rakete, das Arbeitspferd der russischen Raumfahrt, hat nun Startverbot: Das hat sowohl Folgen für den nächsten Besatzungswechsel der ISS, der noch mehrere Jahre lang ausschließlich per Soyuz-Kapsel möglich sein wird (die bemannte Soyuz FG benutzt dieselbe 3. Stufe wie die verunglückte Soyuz U), als auch für den Aufbau des Galileo-NavSat-Systems, das eigentlich diesen Herbst mit der Soyuz-Premiere in Französisch-Guyana beginnen sollte. Heute heißt es, dann man erst zwei unbemannte Soyuzze geflogen haben will, bevor sie wieder bemannt zum Einsatz kommen darf. Die Häufung von Raketenproblemen in Russland gibt generell zu denken: Immer traf es eigentlich bewährte Systeme, so dass der Verdacht auf mangelnde Qualitätskontrolle fällt. Diesmal hatte sich die dritte Stufe der Soyuz 325 Sekunden nach dem Start und weniger als einem Viertel ihrer normalen Brenndauer nach einer Anomalie abgeschaltet, die sich schon 20 Sekunden vorher angekündigt hatte: Stufe und Progress stürzten in Sibirien ab, was möglicherweise auch ein Umweltproblem darstellt. (Russian Space Web 24.8.2011 ff; Space Today, KosmoLogs 26., Moscow News, Nature News, DLF 25., Spaceflight Now, New York Times, Space Today 24.8.2011) NACHTRAG: am 31. endlich ein Statement der ESA zur Lage.

Kein Kontakt zu dem Opfer des vorangegangenen russischen Fehlstarts konnte bisher aufgenommen werden, dem Nachrichtensatelliten Express-AM4, den eine Briz-M-Oberstufe falsch ausgesetzt hatte („Doppelfehlstart …“): Dem Kommunikationssystem des Satelliten ist die Panne – er landete auf einer 995 x 20’294 statt 5210 x 35’786 km großen Bahn und mit 51.2 statt 20.5° Neigung – wohl auch nicht bekommen. Die Proton hat jedenfalls nun – auch! – Startverbot … (Space News, Spaceflight Now, AFP, Space Today 23.8.2011. Und Spaceflight Now 21.8.2011 zu einer möglichen Renaissance der Delta 2)

Closest Type Ia supernova in decades explodes in galaxy Messier 101, brightening rapidly, should reach 10-11 mag. soon

26. August 2011

Die ersten Informationen über die Supernova in Messier 101 (oben vorher/nachher-Bilder der Palomar Transient Factory, die sie entdeckte, die SN am 24. August mit einem Teleskop der UCSB, und ihr Helligkeitsanstieg um einen Faktor 6 vom 23. zum 24. August), dazu allerlei neuartige Techniken der Sonnenbeobachtung, die Entwicklung der Kometen Garradd & Co. und einiges mehr im neuen Cosmos 4 U!

RIP shuttle – let’s get back to real space exploration

Ein invited OpEd zur Lage der (US-)Raumfahrt nach dem Ende der Shuttle-Flüge und anlässlich des Starts von Juno kurz darauf: New Scientist (in der Print-Version war dieser Cartoon dabei).

LHC lässt dem Higgs immer weniger Verstecke

24. August 2011

Keine Spur des letzten „fehlenden“ Teilchens des Standardmodells der Teilchenphysik ist bislang in den Datenfluten des Large Hadron Collider zu finden, und das ohnehin nie signifikante vermeintliche Signal, von dem auf einer Tagung im Juli zu hören war, ist seitdem deutlich schwächer geworden und bei beiden Hauptdetektoren ATLAS und CMS jeweils von knapp 3 auf etwa 2 Sigma gefallen. Auf der Basis von fast doppelt so vielen Kollisionsdaten wie damals sowie gestiegenem Verständnis für Störeffekte wurden vorgestern auf der nächsten Mega-Tagung „Lepton-Photon 2011“ in Mumbai neue Ausschluss-Zonen für das Higgs präsentiert, allerdings nicht die angekündigte gemeinsame Analyse von ATLAS und CMS: Die schiere Datenmenge gerade der letzten Wochen – der Beschleuniger läuft fast schon zu gut – hat den Physikern keine Zeit gelassen. So hörte man nun von ATLAS, dass 80% des prinzipiell erlaubten Massenbereichs unter 466 GeV mit 95% confidence limit ausgeschlossen werden können: Noch möglich wären Higgse mit 115-146, 232-256 und 282-296 GeV sowie mit mehr als 466 GeV Masse.

Das CMS schließt derweil mit der gleichen Wahrscheinlichkeit Higgse mit 145-216, 226-288 und 310-400 GeV und mit 90% C.L. den gesamten Bereich 144-440 GeV aus, während von 110 bis 600 GeV „keine überzeugenden Extra-Ereignisse“ zu sehen sind. Bis Jahresende (wenn ab November wieder Blei-Blei-Kollisionen für andere Zwecke eingeschoben werden) sollte sich die Datenmenge der Proton-Proton-Kollisionen des LHC ein weiteres Mal verdoppeln: Bis dahin kann der geschrumpfte Exzess bei 140 GeV entweder so weit zurück gegangen sein, dass man ihn komplett verwerfen darf – oder er ist wieder gewachsen. Dann allerdings würde es noch bis Ende 2012 dauern, bis er Signifikanz erlangen könnte. Zu diesem Zeitpunkt sind zugleich auch lückenlose Aussagen über den gesamten möglichen Massenbereich zu erwarten. Klar ist bisher nur, dass dem LHC ein schneller Erfolg beim Higgs-Fang nicht beschieden ist, auf den manche gehofft hatten: Wenn es das Teilchen gibt (und die meisten Physiker gehen fest davon aus, auch wenn ein gewisser S. Hawking keck dagegen gewettet hat), dann hat es vermutlich eine Masse von nur 120-140 GeV – und genau dort tut sich der LHC besonders schwer (und der bisherige Nichtnachweis bedeutet noch gar nichts).

Und was, wenn am Ende gar kein Higgs zu finden sein sollte? Die bislang erfolglose Suche beunruhigt manche nun doch, und alternative Vorstellungen, wie denn die Teilchen zu ihren Massen gekommen sein sollen, werden bereits wieder stärker zur Kenntnis genommen. Leider würden Tests von diesen Konzepten mitunter unbezahlbare Teilchenbeschleuniger noch weit jenseits der LHC-Energie erfordern … Higgs-Updates von ATLAS, CMS, CERN, FNAL 22., Caltech Feature 15.8., ATLAS Update 27., CMS Update 22.7.2011; Resonaances, Ars Technica, Scientific American Blog, The Hindu, Science Journalism Tracker, DLF, Spiegel, Wahrheit über Wahrheit 23., Physics World, Nature News, Quantum Diaries, Science 2.0, New Scientist, Guardian, BBC, Telegraph 22., Quantum Diaries 21., ATLAS Blog, Guardian 20., Not even Wrong 18., Quantum Diaries, Universe Today 16., Not even Wrong 12., Science Blogs 11., Particular Significance 10., Guardian 6., Telegraph 1.8., ATLAS Blog, Cosmic Variance, MSNBC 27., Colbert Nation 25.7.2011. Auch Science Blogs 11.8.2011 zu SuSy-Problemen (da sieht der LHC auch keine Spuren von), BBC 11.8.2011 zu LHC@home, und New Scientist Blog 16.8.2011 zu Kunst bei CERN …

Chinesisches Neutrino-Experiment beginnt den Betrieb

Die Detektoren von Daya Bay in China „bedienen“ sich zweier großer Kernkraftwerke in der Nähe, die fleißig Antineutrinos produzieren: Aus der präzisen Messungen von deren Verschwinden aufgrund von Neutrinooszillationen soll sich der am ungenauesten bekannte der drei ‚Mischungswinkel‘ dieses Phänomens, Theta-1-3, besonders präzise bestimmen lassen, unbeeindruckt von einem – extra zu bestimmenden – Phasenfaktor. Daya Bay reiht sich damit ein in die Experimente T2K in Japan und MINOS („Oszillationen …“) in den USA, die bei der Beobachtung anderer Neutrinooszillationen jeweils schon fündig wurden. Das Experiment – das jetzt nach und nach eingeschaltet wird – ist auch deshalb bemerkenswert, weil die 68 Mio.$ je zur Hälfte von China und den USA aufgebracht wurden; China kümmerte sich auch um die Bauarbeiten drum herum. (IHEP Press Release 15., Physics World 16., Welt der Physik 18.8.2011. Und Science News 12.8.2011 zu den anderen beiden Experimenten)

Krawall unter Dunkel-Materie-Jägern geht in nächste Runde: Zwischen den Forschern des XENON-100-Experiments, die partout keine Teilchen der Dunklen Materie fangen, und den Experimenten DAMA und CoGeNT, die eine jahreszeitliche Variation derselben zu sehen behaupten, kracht es schon lange – und nun sagt XENON, man habe besagte Variationen mit dramatischer Signifikanz ausgeschlossen. Das werden die anderen kaum auf sich sitzen lassen … (Ars Technica 15.8.2011. Und arXiv Blog 24.8.2011 zu Experimenten, die offenbar die Schwerkraft als echte Kraft und nicht nur „emergentes“ Phänomen der Entropie bestätigen)

Auch mal was Buntes aus dem Vesta-Orbit

23. August 2011

war jetzt unter den täglichen Bild-Veröffentlichungen zu finden: Im mittleren Bild der Framing Camera – das noch aus der Anspiralierungs-Phase vom 25. Juli stammt – sind die Farben allerdings den Verhältnissen der Helligkeit in jeweils zwei Filtern zugeordnet, um chemische Unterschiede heraus zu arbeiten (Grüntüne deuten dabei auf Eisen-Absorption nahe 1 µm hin). Die anderen Bilder sind vom 6. August (unten) bzw. 11. August (oben): Zu letzterem Zeitpunkt war Dawn bereits mit der globalen Vesta-Kartierung mit der italienischen IR-Kamera befasst, von der bislang exakt Null Bildresultate vorgezeigt wurden.

Das erste Farbbild des Felsens „Ridout“ neben dem Marskrater Odyssey am Rande von Endeavour – natürlich mal wieder von einem Fan hergestellt. Opportunity macht sich derweil – wie den heutigen Tweets des Chef-Fahrers zu entnehmen ist – mit dem Instrumentenarm am kuriosen Stein Tisdale zu schaffen.

Hurrikan Irene am 22. August vom NASA-Satelliten Terra gesehen: Da bedeckte der Sturm – derzeit Kategorie 1 – bereits die DomRep und Puerto Rico; in ein paar Tagen könnte Irene den Südosten der USA treffen.

Das „ArXiv“ ist zwanzig Jahre alt geworden

23. August 2011

Ein wissenschaftliches Paper in einer Fachzeitschrift, von externen Gutachtern abgesegnet („peer review“), auf edles Papier gedruckt und gebunden im Regal, ist irgendwie noch immer der krönende Abschluss eines Forschungsprojekts – aber schon lange war das vielen nicht schnell genug. In alter Zeit pflegte man eingereichte Manuskripte gerne auch sofort an Kollegen zu schicken oder auch eine Handvoll wichtige Institutsbibliotheken: fotokopiert und mit der Post natürlich. Dort wurden besonders spannende Papers wieder weiter kopiert und machten so – auf oft völlig chaotische Weise; nur große Institutionen wie die ESO leisteten sich einen organisierten „Preprint“-Versanddienst – die Runde: Der ersten Arbeiten über die Neutrinos von der Supernova 1987A in der LMC vor knapp 25 Jahren wurde dieser Blogger z.B. in Gestalt kopierter Faxe anderer Kopien ansichtig.

Das war auch jene Zeit, als die Arbeiten noch sauber von Sekretärinnen getippt und mit unter mit Schere und Klebstoff montiert werden mussten. Letzteres kam zu einem raschen Ende, als Anfang der 80-er Jahre das Satzsystem TeX jedem Wissenschaftler die Möglichkeit an die Hand gab, seine Texte selber fertig zu stellen, Formeln inklusive. Und die Dateien konnte man einfach per E-Mail verschicken! Nun konnten Preprints viel einfacher auf die Reise gehen, und der Versand ließ sich mit Mailinglisten bündeln. Dummerweise füllten sich dabei aber rasch die damals noch kleinen Festplatten bzw. zugeteilten Speicherbereiche auf Großrechnern: Das war die Gebursstundes des ArXiv-Preprint-Servers, der am 14. August 1991 den Betrieb aufnahm: Nun wurden die Papers einfach hinterlegt und konnten abgerufen werden, wobei man die Abstracts der Neueingänge auch per E-Mail abonnieren konnte – und kann.

Denn was als provisorisches Experiment begann (so sollten die Papers eigentlich nach 3 Monaten automatisch gelöscht werden, schließlich kamen sie ja auch bald als Papier-Preprints), wurde rasch fester Bestandteil der Publikationskultur in bestimmten Bereichen der Wissenschaft, Astronomie inklusive: Nichts wurde je gelöscht, 700’000 wissenschaftliche Arbeiten liegen inzwischen zum Abruf bereit, und jedes Jahr kommen 75’000 dazu, von denen 400’000 verschiedene User jede Woche rund eine Million abrufen. Obwohl es relativ wenig Kontrollen gibt, ist nur sehr wenig offensichtlicher Unfug unter den Einsendungen, und wenn sich ein Wissenschaftssektor erst einmal mit dem ArXiv angefreundet hat, bleibt er ihm auch treu. Ganz nebenbei hat die Existenz des ArXiv („Der Preprint-Server …“) auch die Forderung beflügelt, dass wissenschaftliche Arbeiten – die mit öffentlichem Geld gefördert wurden – frei zugänglich zu sein hätten. Und die Wissenschaftler lernten, dass auch rein elektronisches Publizieren „echt“ ist. (Homepage des ArXiv; Ginsparg, Nature 476 [11.8.2011] 145-7; ders., Preprint 14.8.2011)

Im Gedenken an Loriot: „Der Astronaut“

23. August 2011
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Zu Ehren des gestern verstorbenen Bernhard Victor Christoph-Carl von Bülow die erste Minute [NACHTRAG: Komplett-Version] seines frühen TV-Sketches „Der Astronaut“ – der komplette Ton ist hier zu hören. Es war der erste Auftritt von Heinz Meier, dem späteren Lottogewinner Erwin Lindemann; laut Loriots Werkverzeichnis wurde der Astronaut erstmals am 2. Januar 1972 in der Sendung „Cartoon 18“ ausgestrahlt – da war das Apollo-Programm noch in vollem Gange … NACHTRAG: Bereits in „Cartoon 15“ gab es Möpse auf dem Mond, am 21. März 1971 ausgestrahlt – und in „Cartoon 10“ war es am 5. Oktober 1969 um Bewohner des Mondgesteins (herunterscrollen) gegangen.

Autsch! Neuer Preis für das JWST: 8.7 Mrd. $$ …

22. August 2011

Mehrere Zeitschriften haben es heute in Erfahrung bringen können: Das bisher geheim gehaltene neue Gesamtbudget des James Webb Space Telescope liegt demnach bei 8.7 Milliarden Dollar – 2.2 Mrd. mehr als es noch Ende 2010 hieß – für einen Start im Jahr 2018 und 5 Jahre Betrieb (die allein 700 Mio.$ kosten). Die neue Zahl soll nun in den NASA-Etatwunsch für 2013 eingearbeitet werden – aber erst einmal müsste der Satellit im Budget für 2012 wieder auftauchen, aus dem ihm das zuständige Gremium des Abgeordnetenhauses im Juli getilgt hatte („Monster-Satellit …“): Die Hoffnungen der JWST-Fans ruhen dabei vor allem auf dem Senat und dem Konferenzkomitee, das am Ende Widersprüche beseitigen muss. Für die neuerlichen Milliarden soll übrigens nach Vorstellung der NASA der Wissenschaftssektor nur zur Hälfte gerade stehen: Den Rest möchte man u.a. beim bemannten Programm abzweigen, das sich schließlich in der Vergangenheit auch mal bei der Wissenschaft bediente. Wenn das gelingt, müssten dem JWST zumindest keine anderen astronomischen Projekte geopfert werden. Funktionäre der American Astronomical Society sind bereits bei Kongress-Mitarbeitern vorstellig geworden und haben sich sagen lassen, dass die Komplettstreichung des Projekts tatsächlich als demonstrative Klatsche für die NASA gedacht war, die nicht auf ihr Geld aufpasst. Dass das JWST über eine große Fanbasis in der Bevölkerung verfügt, habe man in der Politik immerhin wohlwollend zur Kenntnis genommen, glaubt die AAS: Insbesondere Briefe von Nichtastronomen würden dort Gewicht haben. Es bleibt spannend … (Nature News, AW&ST 22., AAS-Rundschreiben 16.8.2011. Auch ESA, NASA, UKSA Releases 18.8.2011 zum erfolgreichen Testabschluss für das europäische JWST-Instrument MIRI und ein Editorial 22.8.2011 von einem nicht ganz uneigennützigen Fan …)

Der NASA-Etat 2013 soll deutlich kleiner als der 2011-er(!) ausfallen, hat das Office of Management & Budget des Weißen Hauses dem Chef mitgeteilt (und den Bossen vieler anderer Bundesbehörden auch): Man solle Entwürfe mit 5 und auch gleich mal mit 10 Prozent weniger als es 2011 gab ausarbeiten! Und dabei nicht durch die Bank kürzen oder herumtricksen sondern konkret Projekte absägen: Das Schwarze Budget-Loch JWST liegt da wohl erneut auf dem Präsentierteller. Der 2011-er NASA-Etat hatte 18.5 Mrd.$ betragen, d.h. es dürfen 2013 nur 17.6 bzw. 16.4 Mrd.$ werden. Sollte sich das Abgeordnetenhaus mit seinen – JWST-freien – 16.8 Mrd.$ für 2012 durchsetzen (Obama hatte 18.7 Mrd.$ gewollt), hielte sich der relative Verlust zwar in Grenzen, absolut ist aber ein gewaltiges Gürtel-enger-Schnallen angesagt. (Space Politics 19.8.2011. Auch AW&ST 22., Space Politics, Space Policy Online, Space News, AW&ST 19.8.2011 zu neuem Streit – inzwischen auch unter den US-Senatoren – über die weitere Vorgehensweise in Sachen Riesenrakete SLS; auch da soll es inzwischen neue Kostenzahlen geben. Sowie Reuters 17.8.2011 zu gesunkenem Interesse Russlands an bemannter Raumfahrt. Und Spaceflight Now 16.8.2011 zu einem Wet Dress Rehearsal mit der dritten Falcon 9 – die die zweite Dragon vermutlich am 30.11. bis zur ISS schießen darf; Ankunft am 9.12.)

Doppelfehlstart in Russland und China binnen 12 Stunden

Man muss schon bis mindestens 1971 und wahrscheinlich sogar 1966 zurück gehen, um zwei orbitale Fehlstarts in so rascher Folge zu finden: Am 18. August versagte erst die Oberstufe Briz-M einer Proton-M und setzte einen russischen Nachrichtensatelliten auf einer so falschen Bahn ab, dass eine Rettung und sinnvolle Nutzung fraglich erscheint, und 12 Stunden später misslang der Start einer Langer Marsch 2C, die einen geheimnisvollen chinesischen Satelliten starten sollte, möglicherweise für ein Frühwarnsystem. Es war bereits der dritte chinesische Start innerhalb einer Woche, wohl zuviel des Guten; der prestigeträchtige Start des Raumstations-Testmoduls Tiangong-1 in den kommenden Wochen auf einer ausgefeilteren Langer Marsch 2F soll aber nicht gefährdet sein. Für die Briz-M war es der 50. Einsatz (und erste Fehlschlag seit 2008); zwischen der 4. und 5. Zündung im Rahmen einer eigentlich routinemäßigen Reise in den geostationären Orbit war plötzlich die Funkverbindung abgerissen, und nach langer Suche wurden gleich drei Objekte auf sonderbaren Orbits aufgespürt … (KosmoLogs 19.8.2011 zur Fehlstartstatistik, Space News, Spiegel 19., Space.com, Space Today, General-Anzeiger 18., NASA Spaceflight, Spaceflight Now 17.8.2011 zur Briz-Pleite und NASA Spaceflight, Spaceflight Now 18., Space Today 19.8.2011 zur Langer-Marsch-Pleite. Auch Spaceflight Now 19., Space.com 16.8.2011 zu Tiangong-1. Und Spaceflight Now 14.8.2011 zur mühsamen Rettung des vor einem Jahr zu tief abgesetzten AEHF1 [„AEHF muss …“] sowie Spaceflight Now 17., Space Today 18.8.2011 zu einem erfolgreichen Dnepr-Start mit 7 Satelliten)

Weitere größere Artikel (und etwas mehr Mars)

20. August 2011

Opportunity erreicht Riesen-Marskrater Endeavour und trifft interessante Steine (oben ein von einem Fan prozessiertes Beispiel, besser als was viele Stunden später das JPL selbst zu bieten hatte – und weil’s so schön war noch ein ebenfalls Fan-produziertes Video ziehender Wolken anhand von HRSC-Bildern des Mars Express und ein 35 m großes und 20 m tiefes ‚Skylight‘ auf dem Mars, von der HiRISE-Kamera des Mars Reconnaissance Orbiter)

Erstaunliche Galaxien-Statistik: Drehachse des ganzen Kosmos? (Das Longo-Mysterium)

Kamera im Jupiterorbit von Amateurastronomen kontrolliert: was von der JunoCam zu erwarten ist.

Kleinere Artikel

Im September Planeten Weißer Zwerge jagen! Einladung zu einem Pilotprojekt.

»Kernspaltung« beim Kometen 213P/van Ness von Amateuren verfolgt.

Sonnensatellit beobachtet Komet Elenin bei der Annäherung an STEREO-B.

Ein Exoplanet mit einer Albedo von unter einem Prozent ist TrES-2b nach Kepler-Fotometrie.

Über hundert Zwergplaneten im Sonnensystem? Kommt eben auf die Definition an …

Expeditionen zu Totalen Sonnenfinsternissen sinnvoller denn je, dank neu entdeckter Eisen-Linien der Korona.

Nachrichten aus der Raumfahrt kompakt

18. August 2011

Venus in Konjunktion mit der Sonne nebst einer Coronal Mass Ejection derselben (was dank der STEREO-Satelliten inzwischen von der inneren Korona bis zur Erde verfolgt werden kann) am 17. August um 6:00 MESZ – vom 6. bis 26.8. ist deswegen auch der Funk mit dem Venus Express gestört: Man kann lediglich mit sehr geringer Datenrate nach dem Gesundheitszustand des Orbiters schauen. Derweil hat der MESSENGER seine zweite Bahnkorrektur im Orbit um den Merkur absolviert, um die Periode wieder auf exakt 12 Stunden zu bringen – und der Orbiter hat inzwischen alle denkbaren Licht- und Schatteneffekte mindestens einmal erlebt. BepiColombo dagegen steht das noch bevor: Grund für umfangreiche Tests an Modellen des ESA-Merkurorbiters.

Keine ESA-Landeübung bei der Marsmission 2016?

Um die Kosten für das Doppel-Mars-Projekt ExoMars („ExoMars-Missionen 2018 und 2016 …“) in den Griff zu bekommen, erwägt die ESA inzwischen, das Entry, Descent & Landing Module des 2016-er Orbiters weg zu lassen, mit dem eigentlich das weiche Landen auf einem anderen Planeten geübt werden sollte: 120 Euro (und 600 kg) würde das sparen – aber nur noch die Hälfte, sollte die Entscheidung erst 2012 getroffen werden. Sollte das EDL gekippt werden, müssten die marsianischen Industrieaufträge unter den ESA-Staaten neu verteilt werden, da die Landeeinheit vor allem von Frankreich und Italien geleitet wurde. Bzgl. des gemeinsamen ESA-NASA-Rovers 2018 soll derweil im September ein Konzept stehen, bei dem die ESA im Wesentlichen für das Fahrzeug und die NASA für alles rund um die Landung im MSL-Stil sorgen dürfte. (AW&ST 3.8.2011, auch zu Details der Landetechnik des MSL. Und Space.com 31.7., Discovery 2.8.2011 zu einer Idee, mit der Dragon-Kapsel auf dem Mars zu forschen)

Der LRO senkte seine Mondbahn für kurze Zeit auf nur 20 km statt der üblichen 50 km Höhe, um die Apollo-Landestellen mit noch höherer Schärfe als bisher aufnehmen zu können – morgen geht es aber wieder auf die normale Höhe zurück. Jeden Tag liefert der Lunar Reconnaissance Orbiter 400 Gigabit Daten, bisher z.B. über 371’000 hochauflösende Bilder, die bereits 20% der Mondoberfläche mit 50 cm bis 2 m pro Pixel abdecken (und man hofft auf genug Zeit, um dies auf den kompletten Mond auszudehnen). Die geringer auflösende Kamera WAC hat seine komplette Oberfläche bereits 20-mal aufgenommen. (Universe Today 10.8.2011. Und Asahi 31.7.2011 zu gleich drei Spielfilmen in Produktion über die Hayabusa-Asteroidenmission, deren letztendlicher Erfolg gegen alle Widerstände gerade jetzt Japan aufmuntern soll)

Stratosphären-Ballonflüge für zahlende Passagiere

will die spanische Firma Zero 2 Infinity (man beachte die bizarre URL) ab Mitte des Jahrzehnts mit einem sogenannten Bloon anbieten: Der bringt eine Kapsel mit 2 Piloten und 4 Passagieren bis in 36 km Höhe, wo sie bis zu 2 Stunden lang verbleiben kann, bevor es an einem steuerbaren Gleitschirm zur Erde zurück geht. 110’000 Euro pro Person soll das Vergnügen kosten, mehr als die Hälfte von einem Suborbitalflug bei Virgin Galactic, der bis in über 100 km Höhe führt. Aber Zero 2 Infinity argumentiert, dass der Blick aus dem Fenster in einem Drittel der Höhe praktisch schon derselbe sei, mit schwarzem Taghimmel und gekrümmtem Horizont – und pro Minute Erlebnis sei das mit dem Ballon dramatisch billiger. Außerdem sind die körperlichen Anforderungen an die Passagiere gegenüber einem Raketenstart deutlich geringer. Nachdem das erste Risikokapital gewonnen werden konnte, soll ein verkleinertes Modell eines Bloon noch dieses Jahr aufsteigen, gefolgt vom ersten bemannten Flug (oder sagt man bei Strato-Ballons noch „Fahrt“?) 2012, zunächst in Spanien. (Wired 12.8.2011)

Die NASA reserviert suborbitale Forschungsflüge bei 7 Anbietern mehr oder weniger luxuriöser Ausflüge in den „Near-Space“: Neben edlen Transportmitteln wie dem künftigen Touristenschiff SpaceShipTwo (schon 445 Reservierungen mit über 55 Mio.$ Vorkasse) sind auch eher bescheidene Raketenhüpfer dabei. Die zwei Jahre umfassenen Kontrakte belaufen sich auf 10 Mio.$. (NASA Release 9., Virgin Release 10., Space Today 11.8.2011)

Drei Millionen NASA-Dollar für 30 wilde Innovationen

mit – innerhalb von frühestem 10 Jahren – potenziellem Nutzen für die Raumfahrt sind ausgeschüttet worden, womit das alte Programm NIAC (NASA Innovative Advanced Concepts) von 1998-2007 wieder da ist. Die Gewinner-Ideen unter über 150 eingegangenen Anträgen, die alle jeweils 100’000$ bekommen, decken ein sehr breites Spektrum ab, von Satellitenstrukturen, die sich unter Lichteinfluss verändern über exotische Weltraumoptiken bis zu Studien über die optimale Sprengung von Asteroiden im „Armageddon“-Stil. Vielversprechende Ansätze können später auf weitere 500’000$ hoffen, sofern das Geld vorhanden ist – da wenige Mio.$ aber im NASA-Haushalt eine Marginalie sind, dürfte NIAC kein attraktives Ziel für drohende neue Kürzungswellen darstellen. (NASA Release, Parabolic Arc, Space Policy Online, Cosmic Log, 8., New Scientist, VoA, Universe Today, Space Today 9.8.2011)

Auch der zweite Mach-20-Gleiter versagte bald nach dem Abwurf von einer Minotaur, die das HTV-2b am 11. August mit 20-facher Schallgeschwindigkeit ausgesetzt hatte: Wie schon beim ersten Exemplar („Weiterer militärischer Gleitertest …“) riss bald danach der Funkkontakt ab, worauf hin automatisch der sofortige Sturz in den Pazifik eingeleitet wurde. Zwar spricht der Veranstalter DARPA von „einmaligen Daten während mehrerer Phasen“ des immerhin drei Minuten aerodynamisch kontrollierten Hyperschallflugs, aber Insider nennen das Experiment dennoch einen Fehlschlag: Obwohl Space Shuttles den Hyperschall-Gleitflug 134-mal erfolgreich absolvierten (und einmal nicht), ist er immer noch von enormen Unwägbarkeiten begleitet. Dann gibt’s eben vorerst keine Gleitbombe, die nach einem Start in den USA binnen 60 Minuten jedes Ziel auf dem Planeten treffen kann: Das war das letzte HTV-2, und eine Fortsetzung des Programms scheint ungewiss. (DARPA Releases 14., 11.8.2011; Space.com 18., CNN 15., New Scientist Blog, HobbySpace, TelePolis 12., Space News, AW&ST, Wired, Parabolic Arc, Spaceflight Now [früher], Guardian, Universe Today, Spiegel 11., Spaceflight Now, Nature Blog 10.8.2011)