Posts Tagged ‘Sonnensegler’

Nachrichten aus der Raumfahrt kompakt

26. August 2011

Großer Sonnensegler 2015 unter drei NASA-Projekten

Rund 175 Mio.$ wird die NASA – nach einem unklaren Schlüssel – unter drei Technologieprojekten aufteilen, die im Zeitraum 2015-16 als Huckepack-Passagiere bei anderen Missionen abheben sollen: einer Laser Communications Relay Demonstration, einer Deep Space Atomic Clock und einem Sonnensegel-Demonstrator mit 7-mal größerer Segelfläche als bei allen anderen Seglern, die bisher im Weltraum waren (womit wohl Japans IKAROS und das NanoSail D gemeint sind). Letzteres Projekt wird dabei der Firma L’Garde übertragen, in Zusammenarbeit mit dem US-Wetterdienst NOAA, der auch für das Weltraumwetter zuständig ist. (NASA Release, Nature Blog 22.8.2011. [NACHTRAG: In diesem langen Review des Sonnensegelns fehlt L’Garde – Pech gehabt …] Und Russian Space Web zur weiter schwierigen Inbetriebnahme des Radioastronomie-Satelliten Spektr-R, dem es zu kalt ist)

Alles grün für den Start der GRAIL-Mondorbiter am 8.9.

Das Paar – das im Stil der GRACE-Erdorbiter – das Schwerefeld und damit Innenleben des Mondes mit unerreichter Präzision vermessen soll – sitzt bereits auf der Delta II in Cape Canaveral: Vom 8. September bis 19. Oktober gibt es jeden Tag zwei instantane Startmöglichkeiten, am 8.9. um 14:37 und 15:16 MESZ. Die Reise zum Mond dauert dann 3 1/2 Monate, und erst nach allerlei Manövern ist die Kreisbahn der beiden – in im Mittel 200 km Abstand voneinander – in 50 km Höhe erreicht. (JPL Releases 25., 18.8.2011; Planetary Society Blog 25., Discovery 22., Planetary Society Blog18.8.2011)

Juno auf bestem Kurs zum Jupiter: Der Start am 5.8. war so perfekt verlaufen, dass ein ‚clean-up maneuver‘ Ende des Monats gestrichen werden konnte! Alle zu bewegenden Teile – der Deckel vor den Triebwerken, die Solarzellen und die Antennen eines Instruments – sind in Position, und die Flugkontrolle lernt derzeit ihr Vehikel besser kennen, bei zur Zeit noch täglichen Funkkontakten. (Spaceflight Now 15.8.2011)

Progress-Crash größeres Problem für Soyuz als ISS

Der erste Fehlstart in der gesamten Geschichte der ISS und der erste von insgesamt 44 eines Progress-Transporters zu irgendeiner Raumstation seit 1978, bei dem vorgestern 2.6 Tonnen Versorgungsgüter für die ISS verloren gingen, stellt weniger ein akutes Problem für deren Besatzung dar: Die ist nach den letzten Shuttle-Besuchen gut versorgt, und das letzte ATV hat auch die Bahn der Station ordentlich angehoben. Aber die Soyuz-Rakete, das Arbeitspferd der russischen Raumfahrt, hat nun Startverbot: Das hat sowohl Folgen für den nächsten Besatzungswechsel der ISS, der noch mehrere Jahre lang ausschließlich per Soyuz-Kapsel möglich sein wird (die bemannte Soyuz FG benutzt dieselbe 3. Stufe wie die verunglückte Soyuz U), als auch für den Aufbau des Galileo-NavSat-Systems, das eigentlich diesen Herbst mit der Soyuz-Premiere in Französisch-Guyana beginnen sollte. Heute heißt es, dann man erst zwei unbemannte Soyuzze geflogen haben will, bevor sie wieder bemannt zum Einsatz kommen darf. Die Häufung von Raketenproblemen in Russland gibt generell zu denken: Immer traf es eigentlich bewährte Systeme, so dass der Verdacht auf mangelnde Qualitätskontrolle fällt. Diesmal hatte sich die dritte Stufe der Soyuz 325 Sekunden nach dem Start und weniger als einem Viertel ihrer normalen Brenndauer nach einer Anomalie abgeschaltet, die sich schon 20 Sekunden vorher angekündigt hatte: Stufe und Progress stürzten in Sibirien ab, was möglicherweise auch ein Umweltproblem darstellt. (Russian Space Web 24.8.2011 ff; Space Today, KosmoLogs 26., Moscow News, Nature News, DLF 25., Spaceflight Now, New York Times, Space Today 24.8.2011) NACHTRAG: am 31. endlich ein Statement der ESA zur Lage.

Kein Kontakt zu dem Opfer des vorangegangenen russischen Fehlstarts konnte bisher aufgenommen werden, dem Nachrichtensatelliten Express-AM4, den eine Briz-M-Oberstufe falsch ausgesetzt hatte („Doppelfehlstart …“): Dem Kommunikationssystem des Satelliten ist die Panne – er landete auf einer 995 x 20’294 statt 5210 x 35’786 km großen Bahn und mit 51.2 statt 20.5° Neigung – wohl auch nicht bekommen. Die Proton hat jedenfalls nun – auch! – Startverbot … (Space News, Spaceflight Now, AFP, Space Today 23.8.2011. Und Spaceflight Now 21.8.2011 zu einer möglichen Renaissance der Delta 2)

NanoSail D überraschend aus FASTSAT geflutscht!

20. Januar 2011

Nachdem das – zunächst irrtümlich als Erfolg gefeierte – Aussetzen des Nanosatelliten NanoSail D aus dem FASTSAT offensichtlich nicht stattgefunden hatte („Keinerlei Kontakt …“), war die Ratlosigkeit groß. Aber zumindest war der Deckel aufgegangen, die anderen fünf Experimente auf dem FASTSAT arbeiteten einwandfrei, und dieser Satellit meldete regelmäßig seinen Zustand. Und am Morgen des 19. Januar, anderthalb Monate nach dem misslungenen Manöver, staunte die Flugkontrolle nicht schlecht: NanoSail war weg, hatte sich spontan selbst auf den Weg gemacht! Bald darauf wurden auch schon seine Funksignale von alarmierten Amateurfunkern in aller Welt empfangen (auch von solchen, die für die NASA arbeiten – und vor Freude unter der Decke hingen, wie sie in ihrem Blog erzählen). Wenn beim Verlassen des FASTSAT auch der Timer gestartet wurde, dann müsste sich das Sonnensegel gegen 4 Uhr MEZ morgen früh entfalten, während die Batterie des Funksenders nach etwa drei Tagen schlapp machen dürfte: Ab dann sind auch Amateurastronomen gefragt (siehe ISAN 124-2), das Schicksal des Experiments zu verfolgen. (NASA Release, WA4NZD, Universe Today 19., Centauri Dreams, NanoSail-Tweet 20.1.2011 – und ein ‚Dashboard‘ verrät den aktuellen Zustand, während eine Echtzeit-Grafik die Bahn des Satelliten zeigt)

Rosetta in der Mitte von einer enormen Bahnkorrektur

Um nach kurz vor dem großen Winterschlaf endgültig Kurs auf den Zielkometen Churyumov-Gerasimenko zu nehmen, führt dessen künftiger Orbiter Rosetta vom 17. bis 23. Januar eine starke Bahnänderung durch: Viermal wird sein Haupttriebwerk eingeschaltet, zusammen 17 Stunden lang, um insgesamt ein Delta–v von 778 m/s auszuüben. Das ist viel mehr als typischerweise bei solchen Deep Space Maneuvers nötig ist und passt eher zum Einschuss in einen Planetenorbit (Cassini z.B. bremste am Saturn mit 626 m/s). Erst wenn die vierte Zündung beendet und ausgewertet ist, soll das Ergebnis verraten werden: Die erste war einen Tick zu stark, aber das sollte am Ende wieder ausgeglichen sein. (Rosetta Blog, v.a. vom 18.1.2011; Planetary Society Blog 18.1.2011. Und ein ESA Release zu Tests an der nächsten großen ESA-Planetensonde BepiColombo)

Radaranlage des Lunar Reconnaissance Orbiter ausgefallen: Am 4. Januar hat das Mini-RF „eine Anomalie“ erlitten und liefert seither keine wissenschaftlichen Daten mehr – vermutlich ist der Sender ausgefallen. Auch wenn sich das Instrument nicht retten lässt: Mit über 400 Radarstreifen seit letztem September hat es seine Erfolgskriterien für den wissenschaftlichen Teil der LRO-Mission längst erfüllt. (Status 18.1.2011)

Sonnensegeln dank IKAROS eine Technologie auf dem Weg zur Anwendung

22. September 2010

Die Zeit des Theoretisierens ist vorbei: Seit der japanische Experimentalsatellit IKAROS entscheidende Techniken der Navigation mit nichts weiter als dem Strahlungsdruck des Sonnenlichts demonstriert hat (der auf den Satelliten eine Kraft von 1.1 Millinewton ausübt, wie inzwischen gemessen wurde), wird es vielleicht schon bald auch die ersten Anwendungen dieser Technik geben. Alles entscheidend ist das Verhältnis der Gesamtmasse von Nutzlast und Sonnensegel zur Segelfläche: Mit 10 bis 20 Gramm pro Quadratmeter sind schon eine Menge sinnvolle Manöver und interessante interplanetare Bahnen möglich. Mit 1.5 kg/m^2 ist IKAROS noch weit davon entfernt, was auch für die anderen drei finanzierten Segler-Demonstratoren Nanosail D und Lightsail mit 300 bzw. 140 und CubeSail („… Weltraum-Besen …“) mit 120 g/m^2 gilt, die diesen November bzw. Mitte bzw. Ende kommenden Jahres starten sollen.

Die Werkstoffe für extrem dünne und tausende Quadratmeter große Segel sind durchaus schon vorhanden, aber viel geforscht wird noch an der Technologie, sie elegant in kleinen Kapseln zu verstauen und dann in der Schwerelosigkeit zuverlässig zu entfalten. Im Gegensatz zur IKAROS-Methode – durch Endmassen plus Rotation aber ohne starres Gerüst – setzen die meisten Planer dabei auf kreuzförmige Strukturen, die sich trickreich entfalten und dabei das Segel ausbreiten und tragen sollen. Um für einen 50-kg-Satelliten die gewünschte Verhältniszahl zu erreichen, wäre ein 2500 bis 5000 m^2 großes Segel erforderlich, im üblichen quadratischen Design 50 bis 70 Meter groß: Das entspricht den Solarzellen der ISS (77 m Spitze zu Spitze), wäre also kein Sprung um Größenordungen.

ESA wie DLR wie NASA, die in der Vergangenheit einiges in Prototypen (für Tests am Boden) investiert haben, denken dem Vernehmen nach erneut über konkrete Schritte nach: Zwischen den ersteren beiden soll sogar eine gemeinsame Roadmap abgesprochen worden sein. Und die lange für Exoten gehaltene Gemeinde der Sonnenseglerianer – die sich wie die frühren Raketenforscher um Oberth & Co. fühlt – hat auf einer Tagung im Juli in New York sogar eine gemeinsame Deklaration herausgegeben und die Technologie im Lichte der stürmisch gefeierten IKAROS-Erfolge für „gangbar für Anwendungen in der Raumfahrt“ deklariert. Derer es viele gäbe: Im September wurde auf einer Tagung europäischer Planetenforscher in Rom z.B. angeregt, mit Sonnenseglern große Datenmengen von Sonden bei Jupiter oder Saturn zur Erde zu schaffen, indem diese „Data-Clipper“ zwischen den Planeten hin und her pendeln und erst in der Nähe der der Erde mit hoher Rate senden.

Erst einmal gilt das Interesse aber der IKAROS-Mission, die inzwischen sowohl eine leichte Änderung der Bahn wie auch der räumlichen Lage durch gezielten Einsatz des Segels demonstrieren konnte und damit den kompletten Missionserfolg erzielt hat. Als Bonus erzeugen die ins Sonnensegel integrierten Solarzellen auch noch Strom: Man könnte sich Hybridraumsonden vorstellen, die die Sonnenphotonen sowohl zum Segeln wie auch als Energiequelle für einen Ionenantrieb verwenden. Das Nanosail D, ein Passagier des FASTSAT („… in Alaska angekommen …), ist ein viel bescheideneres Experiment und wird in seiner niedrigen Erdumlaufbahn vermutlich nicht einmal die Wirkung des Strahlungsdrucks erfahren. Dafür wird der Minisatellit aber eine andere Entfaltungstechnik für sein 10-m^2-Segel demonstrieren und insbesondere auch, wie man einen Satelliten damit dank des Luftwiderstands besonders schnell versenken kann: Das „D“ steht nämlich für De-orbit.

JAXA Release 23.7., NASA Release 17.8., EPSC Release 20.9.2010; The Space Review 9.8.2010 [exzellenter Review]; Centauri Dreams 21., Universe Today 19., AstroBiology 2.9., Centauri Dreams 4.8., New Scientist, ScienceTicker 27., Planetary Society, PS Blog, Space.com 26., Centauri Dreams 23., 22., Space.com 21., 12., Planetary Society Blog, Spaceflight Now 9.7.2010 – und Nikkei über die Beobachtung eines GRB durch IKAROS sowie ein JAXA Release und Science@NASA über die Reise von Akatsuki zur Venus, die zusammen mit IKAROS startete

Neuer Weltraum-Seil-Test bei einem Suborbitalflug

Ein 300 m langes, 2.5 cm breites und 1/20 mm dickes Metallband ist am 31.8. im Rahmen von T-Rex („Tether Technologies Rocket Experiment“) von einer japanischen Rakete während eines 10-minütigen Fluges bis in 309 km Höhe getragen worden: Dabei wurden an einem Ende durch eine Kathode Elektronen abgegeben, um zu testen, ob sich das Band diese als Anode fungierend wieder holen würde. Offenbar ist tatsächlich ein Strom geflossen, auch wenn nicht alles klappte: Diesen Effekt könnte man operationell nutzen, um zusammen mit dem Erdmagnetfeld Schub zu erzeugen (der bei dem Experiment allerdings nicht gemessen werden sollte). Im Gegensatz zu früheren fadenförmigen Weltraumseilen – die immer wieder scheiterten – hat das breite Band den Vorteil, dass ein kleines Stück Weltraummüll es nur punktieren aber nicht gleich durchschneiden würde. (JAXA page 31.8., New Scientist 2., Discovery 3.9.2010)

Mysteriöse Rendezvous-Operationen zwischen zwei chinesischen Satelliten, SJ-12 und SJ-06F, haben sich erst russische und dann amerikanische Beobachter mühsam zusammengereimt, während die Chinesen keinerlei Erklärung dazu abgeben. Ein militärisches Experiment ist das wohl nicht, da sich beide Satelliten nur langsam aufeinander zu bewegten und – vielleicht, da sind die westlichen Tracking-Daten zu ungenau – allenfalls sanft berührten. Vielleicht hatte dies etwas mit Training für künftige Andockoperationen an die kleine Raumstation Tiangong-1 („In rund einem Jahr …“) zu tun, die 2011 gestartet und dann von Shenzhou-Kapseln angesteuert werden soll. So oder so gilt der nahe Flug der beiden Satelliten als bedeutende Leistung. (The Space Review 30., New Scientist, Popular Science, Universe Today 31.8., Discovery 2., Spaceflight Now 8.9.2010. Und AW&ST zu den Rendezvous-Experimenten der schwedischen Prisma-Satelliten [„Die Prisma-Satelliten …“] Mango & Tango)

Sonnensegler-Demo: Planetary Society versucht es erneut, dank 1-Mio.$-Spende

10. November 2009

lightsail

Zweimal schon hat die private Planetary Society versucht, den Demonstrator für ein Sonnensegel zu starten, und beide Male versagte die russische Billigrakete (Artikel 301 und A76) – dann tat sich wieder eine neue Option auf. Und jetzt lässt sie eine anonyme Spende von 1 Mio.$ Wirklichkeit werden: Das erste LightSail kann vielleicht schon Ende 2010 abheben! Allerdings ist die Finanzierung (Gesamtkosten: 1.8 Mio.$, alles privat) noch nicht komplett – und Japan könnte dem LightSail 1 mit seinem Projekt Ikaros bereits im Mai 2010 den Rang ablaufen. Dem 32 Quadratmeter großen LightSail 1 (Abb.), das aus zwei gekoppelten CubeSats schlüpft (ein dritter trägt die Elektronik) und in über 800 km Höhe erst einmal das Prinzip testen soll, sollen später zwei ambitioniertere Flüge folgen. Für seinen Start gibt es „several candidate American and Russian launch possibilities“ als Co-Passagier – aber ganz sicher keine Volna mehr …

Planetary Society Press Release, Blog und Details und Artikel von Spaceflight Now, New York Times, Space.com, AP, Reuters und Universe Today. NACHTRAG: der New Scientist über’s Sonnensegeln. NACHTRAG 2: das Event rund um die Ankündigung.