Posts Tagged ‘Ikaros’

Primärmission des Sonnenseglers IKAROS zuende

26. Januar 2011

Während es zwar eine Reihe mutmaßlicher Sichtungen des NanoSail D im niedrigen Erdorbit gibt, aber immer noch keine durch das Projekt anerkannten (die auf NanoSail.org erscheinen würden), hat der viel größere japanische Bruder IKAROS gerade seine Primärmission beendet, nach einem überaus erfolgreichen Flug durch’s innere Sonnensystem, der zuletzt auch an der Venus vorbei („IKAROS passierte …“) führte: Obiger Schnappschuss mit einer der kleinen Kameras an Bord zeigt die Sichel des Planeten hinter dem Segel! Während auf der Projekt-Seite nur vage von einer „post-operationellen Phase“ der Mission die Rede ist, [EDIT] wurde die Mission laut diesem Artikel bis März 2012 verlängert, um – im Hinblick auf künftige Unternehmen – riskantere Manöver zu testen. Zum Beispiel den nächsten JAXA-Sonnensegler, der Ende des Jahrzehnts mit einem 50 m großen Segel plus Ionenmotor Richtung Jupiter und Trojaner-Asteroiden aufbrechen soll. Und die Solarzellen, die in IKAROS‘ Segel integriert sind, sollen zur Marktreife gebracht werden. NACHTRAG: In 5 Jahren kommt IKAROS wieder in die Nähe der Erde – und kann dann womöglich immer noch kontrolliert werden.

Nachrichten aus der Raumfahrt kompakt

13. Dezember 2010

‚Sah‘ ein Satellit eindeutige Vorläufer des Haiti-Erdbebens?

Die konkrete Vorhersage von Erdbeben – über die rein statistische Gefährdung einzelner Regionen hinaus – ist eines der großen ungelöstend Probleme der Geophysik. Jetzt soll in den extrem niederfrequenten elektromagnetischen Wellen (ULF), die der kleine Satellit DEMETER – Detection of Electro-Magnetic Emissions Transmitted from Earthquake Regions – in den 30 Tagen vor dem schweren Erdbeben in Haiti diesen Januar maß, ein signifikanter Energieanstieg aufgespürt worden sein, der mit der ‚Vorbereitung‘ des Bebens in der Tiefe zusammen gehangen haben könnte. Mehr oder weniger plausible Hypothesen für die Erzeugung solcher Strahlung (und anderer angeblich vor Erdbeben aufgetretener EM-Effekte) gibt es durchaus – aber dass sich daraus jemals eine operative konkrete Warnmöglichkeit ergeben könnte, gilt als fraglich. Die Mission des Satelliten ist derweil am 9. Dezember nach über 6 Jahren beendet worden. (Homepage; Athanasiou & al., Preprint 7., arXiv Blog 9.12.2010) NACHTRAG: Auch beim Japan-Beben 2011 könnte was gewesen sein.

Venus-Express-Beobachtungen stellen Geoengineering-Idee in Frage: Vielleicht ist es doch keine so gute Idee, künstlich Schwefelsäuretröpfchen in die Erdatmosphäre zu bringen, um dem anthropogen Temperaturerwärmung entgegen zu wirken – das legen Modellrechnungen nahe, die die Entstehung einer Schwefeldioxid-Schicht in der oberen Venusatmosphären erklären, auf die der Venus Express gestoßen ist. Das Gas entsteht offenbar durch Verdampfen der Schwefelsäuretröpfchen, wobei die Säuremoleküle von der Sonnenstrahlung zerbrochen werden (und der Schwefelkreislauf der Venus mithin komplizierter als gedacht ist). Genau das würde küntlichen Schwefelsäuretropfen in der Erdatmosphäre wohl auch blühen, deen Einbringung in Analogie zu der temporär global kühlenden Wirkung des Pinatubo-Ausbruchs 1991 öfters mal vorgeschlagen wird – in Gasform geht die kühlende Wirkung indes verloren. (ESA Release 30.11.2010)

IKAROS passierte Venus – mit Gravity Assist

Am 8. Dezember ist auch der zusammen mit Akatsuki gestartete Sonnensegler IKAROS an der Venus vorbei gekommen und sollte sich dem Planeten bis auf 80’800 km Entfernung genähert haben. Dabei wurde die Bahn des Seglers durch die Schwerkraft des Planeten deutlich abgelenkt: das erste Mal, dass ein Gravity Assist einem Sonnensegler widerfuhr! (Eureka 13.12.2010. [NACHTRAG: noch ’ne Notiz dazu.] Und Kyodo zu einem Programmierfehler von Hayabusa, der 2005 das Zünden der Pellet-Kanone verhinderte)

MESSENGER keine 100 Tage mehr vor dem Eintritt in den Merkurorbit am 18. März 2011: Nach 6 Planeten-Vorbeiflügen und 5 Bahnkorrekturen dazwischen steht dem entscheidenden Manöver nun nichts mehr im Wege – das haben dem Projekt jedenfalls auch externe Gutachter bestätigt. (MESSENGER Mission News 7.12.2010. Auch CollectSpace zu einer US-Briefmarke anlässlich der Ankunft)

Elf Wissenschaftsmissionen der ESA werden verlängert

Das hat das Science Programme Committee am 18./19. November entschieden: Die Missionen von Cluster, Integral, Planck, Mars Express, Venus Express und XMM-Newton sowie die ESA-Beteilungungen an Hinode, Cassini, Hubble, SOHO und Proba 2 werden fortgesetzt. Alle zwei Jahre müssen Projekte, die sich dem Ende ihrer regulären Finanzierung nähern, ausgiebig geprüft werden: Kann noch weiterer wissenschaftlicher Gewinn aus den großen Investitionen der Vergangenheit gepresst werden? (ESA Release 22., Physics World, Planetary Society Blog 23.11.2010)

Labortests einer entscheidenden Technologie für die LISA-Satelliten zur Messung von Gravitationswellen haben gezeigt, dass das Rauschen ihrer Laser weit genug unterdrückt werden kann, um per Interferometrie die extrem geringen Verschiebungen der drei Satelliten zueinander beim Durchlaufen einer Welle messen zu können. Konkret sollen die Lichtphasen auf den Satelliten bestimmt werden, während die eigentliche Interferometrie erst mathematisch am Boden erfolgt – und am Ende sind die relativen Positionen der Satelliten auf einen Picometer genau bekannt. (JPL Release 23.11.2010)

SOFIA hat alle drei Wissenschaftsflüge absolviert, und es kehrt bereits eine gewisse Routine ein. (Allerdings nicht in der Öffentlichkeitsarbeit: Von keinem der drei Flüge, auch dem ersten vor 2 Wochen, sind bisher Bilder publik geworden.) Nächstes Jahr geht es mit einem neuen wissenschaftlichen Instrument, GREAT, weiter. (365 Days of Astronomy 12., DLR Blog [mit schönen Impressionen vom 3. Flug], S. Casey Tweet 8., Ithaka College Release 7., Daily Camera 4.12.2010)

New-Millennium-Mission EO-1 schon seit 10 Jahren im Einsatz: Erdbilder auf Bestellung

Das entsprechende NASA-Technologie-Programm gibt es schon lange nicht mehr – aber einer der wenigen Satelliten, die daraus hervorgegangen sind (Artikel 411), arbeitet immer noch: Earth Observing 1 ist jetzt 10 Jahre im Orbit, obwohl eigentlich nur für ein Jahr ausgelegt. Nach ausgiebigen Technologietests dient der Satellit jetzt als Erdbeobachter mit ungewöhnlicher Autonomie, der einfach und schnell kommandiert werden kann, um sich spezielle Dinge von oben anzusehen. Und weil das alles nicht viel kostet, gibt’s die Bilder sogar gratis! (Homepage; NASA Feature 22.11., ASU Press Release 2.12.2010)

CryoSat 2 ist jetzt operativ: Die Inbetriebnahme des Eis-Forschungs-Satelliten ist nun abgeschlossen, und am 19.11. wurde die Kontrolle feierlich an das Operationsteam übergeben. (ESA Release 22.11., UKSA Release 6.12.2010. [NACHTRAG: ein paar erste wissenschaftliche Ergebnisse von CryoSat.] Auch eine Missionsverlängerung für GOCE – und die CubeSats, die Glory begleiten werden)

Die NASA bekommt vermutlich 18.9 Mrd.$ im FY2011

im Rahmen einer modifizierten Continuing Resolution, die das Repräsentantenhaus beschlossen hat, die aber den Senat noch passieren muss: Das würde weitgehend dem entsprechen, was die Authorization Bill vorsieht und die prinzipielle Umsetzung der Weltraumpläne Obamas einleiten. Das Constellation-Programm – bisher durch eine Klausel im FY2010-Haushalt künstlich am Leben erhalten – kann endgültig abgewickelt werden, jedenfalls die Ares-Raketen, während an der Orion-Kapsel weiter gearbeitet und rasch die Konstruktion einer Schwerlastrakete aufgenommen wird (ohne vorher erst nach besseren Technologien zu suchen). Eine explizite Genehmigung für einen zusätzlichen Shuttle-Flug nach den zwei letzten im Manifest ist allerdings nicht enthalten. (Space News 7., Space Politics 8., Space Policy Online 9.12.2010. [NACHTRAG: Der Senat scheint es ähnlich zu sehen.] Auch Wired und Space Policy Online zur unklaren Zukunft des JWST – und Space.com zur Versenkung der ISS)

Deutschland hat eine neue Raumfahrt-Strategie – und ein Rahmenabkommen mit den USA: Stark auf wirtschaftlichen Nutzen ausgerichtet ist das neue Dokument, das Projekte der wissenschaftlichen Grundlagenforschung nur noch im Rahmen der ESA und in bilateralen Unternehmungen vorsieht. Von rein deutschen Mondflügen, die immer wieder mal gepuscht wurden, kann man sich also endgültig verabschieden, aber ein neues Rahmenabkommen mit den USA, das kurz danach am 8.12. unterzeichnet wurde, sieht zwar keine konkreten neuen Projekte vor, führt aber explizit die Mondforschung beider Seiten näher zusammen. Auch ein gemeinsames Paar Radarsatelliten scheint möglich. (Strategie-Dokument; PMn von BMWi und DLR, Welt, Tagesschau 30.11., Nature Blog 1., Deutsche Welle, Alles was Fliegt 2., SpaceMart 6., DLR PM, NASA PR, Spiegel 8., Space News 9., NASA Ames Release 13.12.2010) NACHTRAG: eine Glosse zur deutschen Erdfahrt-Stragie …

Auch Südafrika bekommt eine eigene Weltraumagentur, auch wenn die South African National Space Agency (SANSA) erst ab April 2012 voll funktionsfähig sein wird. Mehrere Forschungseinrichtungen werden unter dem neuen Dach und im Rahmen eines nationalen Weltraumprogramms zusammen geführt, und auch eingemottete Anlagen aus der Apartheid-Zeit wieder belebt. (Engineering News, Sify 9.12.2010. Und die Irish Times zu Mondplänen in, ääh, Uganda?)

Zuviel Treibstoff in die Oberstufe getankt – Proton kommt nicht hoch genug!

Hat es schon einmal solch einen Grund für einen Fehlstart in der Raumfahrt gegeben? Da sitzt ein neues Modell der DM-Oberstufe (DM-03) auf der Proton-Rakete, das über einen größeren Tank als der Vorgänger verfügt – und die Startmannschaft macht ihn einfach bis zu der Marke voll, wie man das früher auch immer tat. Dumm nur, dass damit nun 1 bis 2 Tonnen Sprit zuviel im Tank sind, die Stufe damit zu schwer – und die 3. Stufe der Proton schaffte es nicht, sie samt drei Satelliten für das Navigationssystem GLONASS in den Orbit zu bringen, die stattdessen im Pazifik landen. Immerhin war die Proton nicht schuld, die vielleicht noch dieses Jahr wieder starten darf. (Space Today 11., Spaceflight Now, Space News, Novosti, UPI, AFP 10., Space News, TASS, Spiegel 6., Spaceflight Now, Novosti [man beachte die Formulierung, dass die Satelliten im Pazifik „may fail to function as normal“ …], BBC, Space Today, Eureka 5.12.2010) NACHTRAG: Laut dem Abschlussbericht wurden 1.5 bis 2 Tonnen zuviel Oxidator in die Tanks gepumpt.

Mysteriöser Schaden beim Start lässt Nachrichtensatellit auf Transferorbit stranden: Es ist nach wie vor unklar, wie bei Eutelsat W3B während des Ariane-5-Starts am 28. Oktober die Leitung vom Oxidator-Tank zum Triebwerk einreissen konnte, während einem anderen Satelliten an Bord nicht das Geringste passierte und es auch keinerlei Anzeichen für Anomalien bei der Ariane gab. Jedenfalls kann sich der Satellit mangels Antriebs weder in den Graveyard oberhalb des geostationären Orbits heben noch kontrolliert zum Absturz gebracht werden: Eutelsat hat ihn wenigstens so ‚inert‘ wie möglich gemacht, damit es bei einer eventuellen Kollision mit einer alten Raketenoberstufe (sonst treibt sich auf dem elliptischen Transferorbit wenig herum) nicht zu einer Explosion kommt. Modellieren lässt sich der natürliche Verfall solch einer Bahn auch kaum: 20 bis 30 Jahre es wohl bis zum Wiedereintritt dauern. (Space News 3.12., Spaceflight Now 8., Space News 5.11.2010. Auch Space News und Raumfahrer zur mühsamen Entfaltung der Riesenantenne von SkyTerra 1 [NACHTRAG: Jetzt ist sie offen])

Was wird aus US-Forschungssatelliten nach dem Ende der Delta 2, die seit 1998 zahlreiche Starts besorgte aber inzwischen nicht mehr hergestellt wird? Die – dieses Jahr zweimal erfolgreiche – Falcon 9 und die Taurus 2 sind als Träger für kleinere wissenschaftliche Satelliten ausgeguckt, aber bis sie für den Einsatz zertifiziert sind, v.a. wenn es um wertvolle Nutzlasten geht, vergehen typischerweise drei Jahre. (Space News 24.11.2010)

Sonnensegeln dank IKAROS eine Technologie auf dem Weg zur Anwendung

22. September 2010

Die Zeit des Theoretisierens ist vorbei: Seit der japanische Experimentalsatellit IKAROS entscheidende Techniken der Navigation mit nichts weiter als dem Strahlungsdruck des Sonnenlichts demonstriert hat (der auf den Satelliten eine Kraft von 1.1 Millinewton ausübt, wie inzwischen gemessen wurde), wird es vielleicht schon bald auch die ersten Anwendungen dieser Technik geben. Alles entscheidend ist das Verhältnis der Gesamtmasse von Nutzlast und Sonnensegel zur Segelfläche: Mit 10 bis 20 Gramm pro Quadratmeter sind schon eine Menge sinnvolle Manöver und interessante interplanetare Bahnen möglich. Mit 1.5 kg/m^2 ist IKAROS noch weit davon entfernt, was auch für die anderen drei finanzierten Segler-Demonstratoren Nanosail D und Lightsail mit 300 bzw. 140 und CubeSail („… Weltraum-Besen …“) mit 120 g/m^2 gilt, die diesen November bzw. Mitte bzw. Ende kommenden Jahres starten sollen.

Die Werkstoffe für extrem dünne und tausende Quadratmeter große Segel sind durchaus schon vorhanden, aber viel geforscht wird noch an der Technologie, sie elegant in kleinen Kapseln zu verstauen und dann in der Schwerelosigkeit zuverlässig zu entfalten. Im Gegensatz zur IKAROS-Methode – durch Endmassen plus Rotation aber ohne starres Gerüst – setzen die meisten Planer dabei auf kreuzförmige Strukturen, die sich trickreich entfalten und dabei das Segel ausbreiten und tragen sollen. Um für einen 50-kg-Satelliten die gewünschte Verhältniszahl zu erreichen, wäre ein 2500 bis 5000 m^2 großes Segel erforderlich, im üblichen quadratischen Design 50 bis 70 Meter groß: Das entspricht den Solarzellen der ISS (77 m Spitze zu Spitze), wäre also kein Sprung um Größenordungen.

ESA wie DLR wie NASA, die in der Vergangenheit einiges in Prototypen (für Tests am Boden) investiert haben, denken dem Vernehmen nach erneut über konkrete Schritte nach: Zwischen den ersteren beiden soll sogar eine gemeinsame Roadmap abgesprochen worden sein. Und die lange für Exoten gehaltene Gemeinde der Sonnenseglerianer – die sich wie die frühren Raketenforscher um Oberth & Co. fühlt – hat auf einer Tagung im Juli in New York sogar eine gemeinsame Deklaration herausgegeben und die Technologie im Lichte der stürmisch gefeierten IKAROS-Erfolge für „gangbar für Anwendungen in der Raumfahrt“ deklariert. Derer es viele gäbe: Im September wurde auf einer Tagung europäischer Planetenforscher in Rom z.B. angeregt, mit Sonnenseglern große Datenmengen von Sonden bei Jupiter oder Saturn zur Erde zu schaffen, indem diese „Data-Clipper“ zwischen den Planeten hin und her pendeln und erst in der Nähe der der Erde mit hoher Rate senden.

Erst einmal gilt das Interesse aber der IKAROS-Mission, die inzwischen sowohl eine leichte Änderung der Bahn wie auch der räumlichen Lage durch gezielten Einsatz des Segels demonstrieren konnte und damit den kompletten Missionserfolg erzielt hat. Als Bonus erzeugen die ins Sonnensegel integrierten Solarzellen auch noch Strom: Man könnte sich Hybridraumsonden vorstellen, die die Sonnenphotonen sowohl zum Segeln wie auch als Energiequelle für einen Ionenantrieb verwenden. Das Nanosail D, ein Passagier des FASTSAT („… in Alaska angekommen …), ist ein viel bescheideneres Experiment und wird in seiner niedrigen Erdumlaufbahn vermutlich nicht einmal die Wirkung des Strahlungsdrucks erfahren. Dafür wird der Minisatellit aber eine andere Entfaltungstechnik für sein 10-m^2-Segel demonstrieren und insbesondere auch, wie man einen Satelliten damit dank des Luftwiderstands besonders schnell versenken kann: Das „D“ steht nämlich für De-orbit.

JAXA Release 23.7., NASA Release 17.8., EPSC Release 20.9.2010; The Space Review 9.8.2010 [exzellenter Review]; Centauri Dreams 21., Universe Today 19., AstroBiology 2.9., Centauri Dreams 4.8., New Scientist, ScienceTicker 27., Planetary Society, PS Blog, Space.com 26., Centauri Dreams 23., 22., Space.com 21., 12., Planetary Society Blog, Spaceflight Now 9.7.2010 – und Nikkei über die Beobachtung eines GRB durch IKAROS sowie ein JAXA Release und Science@NASA über die Reise von Akatsuki zur Venus, die zusammen mit IKAROS startete

Neuer Weltraum-Seil-Test bei einem Suborbitalflug

Ein 300 m langes, 2.5 cm breites und 1/20 mm dickes Metallband ist am 31.8. im Rahmen von T-Rex („Tether Technologies Rocket Experiment“) von einer japanischen Rakete während eines 10-minütigen Fluges bis in 309 km Höhe getragen worden: Dabei wurden an einem Ende durch eine Kathode Elektronen abgegeben, um zu testen, ob sich das Band diese als Anode fungierend wieder holen würde. Offenbar ist tatsächlich ein Strom geflossen, auch wenn nicht alles klappte: Diesen Effekt könnte man operationell nutzen, um zusammen mit dem Erdmagnetfeld Schub zu erzeugen (der bei dem Experiment allerdings nicht gemessen werden sollte). Im Gegensatz zu früheren fadenförmigen Weltraumseilen – die immer wieder scheiterten – hat das breite Band den Vorteil, dass ein kleines Stück Weltraummüll es nur punktieren aber nicht gleich durchschneiden würde. (JAXA page 31.8., New Scientist 2., Discovery 3.9.2010)

Mysteriöse Rendezvous-Operationen zwischen zwei chinesischen Satelliten, SJ-12 und SJ-06F, haben sich erst russische und dann amerikanische Beobachter mühsam zusammengereimt, während die Chinesen keinerlei Erklärung dazu abgeben. Ein militärisches Experiment ist das wohl nicht, da sich beide Satelliten nur langsam aufeinander zu bewegten und – vielleicht, da sind die westlichen Tracking-Daten zu ungenau – allenfalls sanft berührten. Vielleicht hatte dies etwas mit Training für künftige Andockoperationen an die kleine Raumstation Tiangong-1 („In rund einem Jahr …“) zu tun, die 2011 gestartet und dann von Shenzhou-Kapseln angesteuert werden soll. So oder so gilt der nahe Flug der beiden Satelliten als bedeutende Leistung. (The Space Review 30., New Scientist, Popular Science, Universe Today 31.8., Discovery 2., Spaceflight Now 8.9.2010. Und AW&ST zu den Rendezvous-Experimenten der schwedischen Prisma-Satelliten [„Die Prisma-Satelliten …“] Mango & Tango)

Wie die zweite Minikamera den Sonnensegler sah

28. Juni 2010

Von der zweiten Miniaturkamera DCAM1, die der japanische Sonnensegler IKAROS ausgesetzt hatte, sind heute weitere Aufnahmen sowie ein Filmchen veröffentlicht worden: Während sie sich langsam von dem Satelliten entfernte, konnte sie beobachten, wie mittels Flüssigkristallen das Reflexionsverhalten von Teilen des Segels gezielt verändert wurde. NACHTRAG: ein detaillierter Press Release und ein Artikel und noch einer dazu.

Das erste Sonnensegel tief im Weltraum – aufgenommen direkt von oben!

16. Juni 2010

Bisher kannten wir nur den Blick von ganz schräg auf das entfaltete Sonnensegel des japanischen IKAROS-Projekts – aber jetzt gibt es auch Bilder ‚von oben‘ durch Minikameras, von denen eine sogar abgestoßen wurde, um drahtlos ein Gesamtbild zu liefern. Bald geht’s nun auch mit dem gesteuerten Sonnensegeln los. NACHTRAG: Den JAXA Press Release gibt’s jetzt auch auf Englisch: Die 6 cm kleine Kamera, die diese Bilder machte, wird nie zu IKAROS zurück kehren. Von ihr gibt es auch weitere Bilder und eine Animation (oben eingefügt)! Und von der Planetary Society war zu erfahren, dass das nächste Sonnensegel Nanosail D („Das nächste …“) in so geringer Höhe über der Erde ausprobiert werden soll, dass der Luftwiderstand über den Strahlungsdruck der Sonne bei weitem dominieren sollte – Sonnensegeln im eigentlichen Sinn dürfte damit nicht möglich sein. (Im Gegensatz zu IKAROS, der bereits über 10 Mio. km von der Erde entfernt ist.) Ursprünglich hatte die Planetary Society im Rahmen ihres eigenen Projekts Lightsail beim Nanosail einsteigen und den Minisatelliten als ersten Schritt dahin fliegen sollen, aber daraus wurde nichts (wohl aus Kostengründen). Inzwischen geht man beim Lightsail andere Wege (Ende 1. Paragraf). NACHTRAG 2: Und hat die Critical Design Review passiert!

Der Bildbeweis: Sonnensegel von IKAROS voll entfaltet!

11. Juni 2010

JAXA

Und nicht nur hat auch die zweite Phase der Entfaltungsprozedur in 7.7 Mio. km Erddistanz einwandfrei funktioniert, die in das Segel integrierten Solarzellen liefern bereits Strom! Damit sind die minimalen Erfolgskriterien erfüllt: Für den kompletten Triumpf muss nun in den kommenden Monaten gezeigt werden, dass man mit einem Sonnensegel und dem Strahlungsdruck des Sonnenlichts tatsächlich gezielt die Bahn einer Raumsonde ändern kann.

Russland oder Korea schuld am Raketen-Disaster?

Nach dem erneuten Fehlstart eines KSLV („Koreanische Rakete …“), das diesmal noch viel früher als beim letzten Mal gescheitert war, schieben sich Korea und Russland – dessen Raketenstufe noch brannte, als der Unfall geschah – gegenseitig die Schuld zu: Kann es sein, dass sich die zweite koreanische Raketenstufe zu früh von der ersten trennte, was dann v.a. in die Verantwortung der Koreaner fiele? Oder ist in dieser russischen Stufe eine Turbopumpe explodiert oder etwas anderes schiefgegangen? Erste Trümmer des KSLV werden bereits aus dem Meer geborgen, aber auch das ist ein Politikum: Auch kaputt ist die 1. Stufe russisches Eigentum. Unklar ist auch, ob Russland einen dritten Versuch teilweise bezahlen müsste. (Korea Times [Editorial], Yonhap, Chosun Ilbo, BBC, Asia Times, Korea Herald, Moscow Times 11., Korea Times, AW&ST 10.6.2010) NACHTRAG: Russland gibt sich zunehmend sicher, dass es nicht die eigene Stufe war, die das Disaster auslöste …

Nachrichten aus der Raumfahrt kompakt

10. Juni 2010

Diese Antenne wartet auf ein Funksignal der Proben-Kapsel von Hayabusa: eine von mehreren Aufnahmen während einer Übung im australischen Outback für die Ereignisse am 13. Juni („Hayabusas letzte …“). Da die letzten drei Tage ohne weiteren Einsatz des Triebwerks verlaufen, heißt es nun im Wesentlichen: Warten … (Planetary Society Blog, JAXA Message [Maschinen-Übersetzung liest sich wie ein Gedicht …], Astronomy Now 10.6.2010) NACHTRAG: eine detaillierte Prognose, wieviel (bzw. wenig) Itokawa-Staub an Bord sein sollte, und Gedanken zur Flugbahn.

Koreanische Rakete offenbar 2 Minuten nach dem Start explodiert

Im zweiten Anlauf hat das KSLV-1 („Koreanischer Raketenstart …“) noch schneller versagt als letztes Jahr: 137 Sekunden nach dem Abheben um 10:01 MESZ riss plötzlich der Funkkontakt ab, während die aus Russland stammende erste Stufe noch brannte. Unmittelbar vorher hatte eine Kamera auf der 2. Stufe, die nach unten schaute, einen hellen Blitz registriert: All das spricht für eine Explosion der 1. Damit ist der Fehlschlag nicht nur eine Schlappe für Koreas Raumfahrtambitionen sondern auch Russlands – denn die Raketenstufe ist ein enger Verwandter eines Modells, das ab 2012 bei der neuen Angara Dienst tun soll. Und die ist als Nachfolger der Proton wie auch kleinerer Raketen vorgesehen. (Spaceflight Now, Yonhap [früher], Universe Today, Korea Times, NPR, Korea Herald, BBC, AFP, Spiegel 10.6.2010) NACHTRAG: weitere Artikel von Space Today, Eureka, Space.com und Korea Times – und ein Video.

Langes Schweigen über den genauen Status von IKAROS, bald zu Ende? In Japan ist schon wieder Nacht, und den ganzen Tag hatte es keinerlei offiziellen Update über den Zustand des Sonnensegels gegeben, den doch eigentlich mehrere Kameras beobachten sollten. Soeben dann doch noch folgende Nachricht im Blog, maschinenübersetzt: „IKAROS plan today and see that the state of posture data, images etc. to get done. IKAROS state has been confirmed to be good. For more data, so once the report by tomorrow, please wait a moment.“

Glückt(e) das Entfalten des Sonnensegels von IKAROS?

9. Juni 2010

Raumfahrtfans rätseln über dieses eine Foto von einer Kamera auf dem japanischen Sonnensegler IKAROS, das vor einigen Stunden auf dessen Blog erschienen ist. Laut maschineller Übersetzung ist es „das primäre Bild nach der Bereitstellung der Operation durchgeführt gestern nach der Erweiterung der primären Kamerabild. Starkes Sonnenlicht, sieht es einer Leine zwischen den beiden überlappen und Segel Körper, der Körper nah an das einfallende Licht in die Schatten für die Schwachen, die Leine kann sehen, dass sich in der Oberfläche Membran und Gurt“ …

Zuvor hatten Bilder das offenbar korrekte Ausfahren des Gestänges für das Segel gezeigt, doch wie es dann dem Segel selbst erging, ist schwer zu erkennen – aber in Anbetracht der extrem schrägen Kameraposition könnte es korrekt voran gehen, nachdem es zunächst wegen überraschenden Rotationsverhaltens des Satelliten zu Verzögerungen gekommen war. Soeben hieß es noch (wiederum in Maschinenübersetzung): „The operation ended today as planned. We will report tomorrow to get further data.“ NACHTRAG: Hier werden die japanischen Blogberichte als erfolgreicher Abschluss der 1. Phase, hier hingegen als komplett erfolgtes Entfalten des Segels interpretiert.

Koreanischer Raketenstart nach Panne auf Startrampe verschoben

Drei Stunden vor dem geplanten Start des KSLV-1 oder Naro-1 („Südkorea versucht es …“) ging heute plötzlich die Feuerlöschanlage auf der Rampe los – womöglich muss die Rakete erst einmal geputzt werden, bevor der nächste Startversuch vorbereitet werden kann. (Korea Times, BBC, Space Today 9., Spaceflight Now, Space Today, 8., Space Policy Online, Yonhap [mehr], Arirang 7.6.2010) NACHTRAG: Bis zum nächsten Versuch mit der Rakete sollte es zunächst etliche Tage dauern, dann wurde er doch schon für den nächsten Tag angesetzt.

Hayabusas letzte Bahnkorrektur erfolgreich! Jetzt hält Asteroidensonde („Hayabusa bereits …“) himmelsmechanisch gesehen nichts mehr von ihrem feurigen Atmosphäreneintritt über Australien ab, für dessen detaillierte Beobachtung bereits ein NASA-Messflugzeug vorbereitet wird. (JAXA Release, Mainichi Daily News, Telegraph 9., Planetary Society Blog [witzige Grafik] 8., NASA Dryden Status Report 7.6.2010) NACHTRAG: Zum Beobachtungsflug auch Ames und JPL Releases – und Vorbereitungen für (eventuelle) Proben.

IKAROS beginnt Entfaltung, Akatsuki wohlauf, UNITEC verstummt

1. Juni 2010

Die drei gerade zur Venus gestarteten Satelliten sorgen weiter für Schlagzeilen – allerdings meist auf Japanisch, was die genaue Einschätzung der Lage etwas erschwert. Am Interessantesten ist die Entwicklung beim Sonnensegler IKAROS, wo kürzlich die Massen am Segel ausgeklinkt wurden, die es später ausbreiten sollen – und es gibt auch Bilder von Kameras auf dem Satelliten, die die Operation verfolgen! Nach einem früheren JAXA Release wird es aber noch „einige Wochen“ dauern, bis das Segel geöffnet werden soll. (Der Start des Sonnenseglers der Planetary Society ist – mangels passender Mitfluggelegenheit – übrigens auf frühestens das 2. Quartal 2011 gerutscht, was aber auch mehr Zeit für die Vorbereitungen bedeutet. Wobei die technische Komplexität des Projekts ohnehin schon reduziert wurde: Anspruchsvollere Experimente wurden auf die geplanten Nachfolge-Segler verschoben.)

Vom künftigen Venusorbiter Akatsuki hat man noch am Starttag Kunde von einwandfreier Operation erhalten, und kurz danach gab es Bilder der Erde von mehreren Kameras zu sehen: im sichtbaren Licht als Sichel, im thermischen IR dagegen als Vollerde mit ungewohnter Textur. Nur ganz kurz Kontakt bestand indes mit dem dritten Venus-Reisenden UNITEC-1, der in Shin-en („Abgrund“) umgetauft worden war – schon ein paar Stunden nach dem Start hörte den im Wesentlichen von Studenten gebauten Satelliten niemand mehr. Noch wird aber weiter – weltweit – versucht, Signale von Shin-en zu empfangen. Der Akatsuki/IKAROS-Flug zur Venus scheint in der japanischen Öffentlichkeit einiges Interesse hervorzurufen – inklusive dieses Kommentars, der mehr Missionen wie diese statt bemannter Aufwendungen, etwa auf der ISS, fordert …

Hayabusa absolviert größte der 4 letzten Bahnkorrekturen

Keine zwei Wochen mehr bis zur Rückkehr der angeschlagenen Asteroidensonde Hayabusa zur Erde („Hayabusas Proben-Kapsel …“), sieben Jahre nach dem Start – und weiter läuft alles wie am Schnürchen: Gerade ist die zweite und größte der vier Bahnkorrekturen erfolgreich absolviert worden, die die Sonde und ihre Kapsel nach Australien führen sollen. (Trajectory Updates; JAXA Tweet 26., Spaceflight Now 30., BBC, Wandering Space 31.5.2010)

Voyager 2 arbeitet wieder einwandfrei, nachdem das „geflippte“ Bit im Computerspeicher („Kann Voyager 2 …“) entdeckt und wieder richtiggestellt werden konnte – und es könnte sogar gelingen, die unlesbar gewordenen Daten zu rekonstruieren. (JPL Release, Voyager Tweet 24.5.2010) NACHTRAG: Aber die Borduhr geht noch falsch und muss neu gestellt werden.

Akatsuki – und Co. – sind auf dem Weg zur Venus!

21. Mai 2010

Die entscheidende Szene, gesehen von einer Videokamera auf der Oberstufe der H-2A-Rakete und zu sehen in einem spannenden Webcast der japanischen Weltraumbehörde JAXA: 27 Minuten nach dem Start macht sich Akatsuki auf den Weg zur Venus, später folgen auf gleicher Route der Sonnensegler IKAROS und der Funktestsatellit UNITEC-1. Bevor die Oberstufe ein zweites Mal gezündet und so Fluchtgeschwindigkeit aus dem Erdorbit erreicht hatte, waren in demselben bereits drei CubeSats ausgesetzt worden. Diesmal war das Wetter besser als drei Tage zuvor gewesen, und die ganze Startsequenz scheint wie am Schnürchen verlaufen zu sein; die einzelnen Satelliten müssen nun natürlich noch eingehend getestet werden. Akatsuki soll nach der Ankunft Anfang Dezember mindestens zwei Jahre lang im Venusorbit arbeiten, IKAROS mindestens 1/2, vielleicht auch ein Jahr auf heliozentrischer Bahn.

Akatsuki (ausgesprochen „A’katzki“) alias Venus Climate Orbiter (VCO) alias PLANET-C ist gewissermaßen Japans Gegenstück zum Venus Express Europas (und nach japanischer Sichtweise sogar wesentliche Motivation für das ESA-Projekt gewesen, das dank Benutzung von viel vorhandener Hardware nur viel schneller auf die Rampe gekommen war). Während der Venus Express den Planeten auf einer Polarbahn umkreist, soll Akatsuki eine 300 x 80’000 km hohe retrograd um 8° geneigte Äquatorialbahn mit 30 Stunden Periode einnehmen, aus der heraus die um den Planeten rasenden Wolken besser erfasst werden können. Auch soll Akatsuki mit gleich 5 Kameras für UV vis IR sowie per Radiodurchleuchtung mit einem ultrastabilen Oszillator an Bord das ganze Wettergeschehen in seiner kompletten vertikalen Schichtung noch systematischer erfassen – und als erster interplanetarer „Wettersatellit“ (und in direkter Kooperation mit dem Venus Express) das Verständnis der Venusatmosphäre erheblich vertiefen. Wie es überhaupt zu der Superrotation kommt, könnte dabei geklärt werden. Und vielleicht gelingen auch endlich direkte Bilder der mutmaßlichen Venus-Blitze.

IKAROS – Interplanetary Kite-craft Accelerated by Radiation of the Sun – soll während des Flugs Richtung Venus nach etwa einem Monat ein 14 x 14 m großes Sonnensegel aus einer nur 7.5 µm dicken Folie aus Polyimiden entfalten, das derzeit noch trickreich um den Satellitenkörper aufgewickelt ist: Dieser wird in Rotation versetzt, so dass sich das 200-m^2-Segel ausbreitet und ohne weitere Mechanik stabilisiert wird. Das wäre schon der erste Erfolg, aber die JAXA will mehr: Durch stellenweise Veränderung der Albedo des Segels und Drehungen des Satelliten durch kleine Düsen ist auch ein wenig Navigation auf der Bahn an der Venus vorbei und um die Sonne möglich. Und Teile des Segels tragen zugleich ultradünne Solarzellen für die Energieversorgung: All das macht IKAROS zum entscheidenen Test für einen solargetriebenen Riesensegler, der in den 2020-ern auf den Weg zum Jupiter und seinen Trojaner-Asteroiden geschickt werden soll. Und weil noch Platz auf dem kleinen IKAROS-Satelliten war, trägt er gleich noch einen Staubdetektor und einen Sensor für kosmische Gamma Ray Bursts. Auch Akatsuki wird übrigens für etwas Bonus-Science genutzt: Seine 2-µm-Kamera wird auf den Weg zur Venus den Zodialkalstaub beobachten.