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Kurswechsel bei der NASA – aufregende Reise ins Ungewisse

2. Februar 2010

„Obama hat den Aufbruch Amerikas zum Mond gestoppt und als Anti-Kennedy die Menschheit zum ewigen Verbleib auf der Erde verdammt.“ Derartige Sprüche waren viel zu hören gewesen, unter naiven Raumfahrtenthusiasten aber auch in der Presse, als Ende Januar ein dramatischer Kurswechsel der amerikanischen Raumfahrt immer klarer wurde. Doch nichts könnte weiter von der Realität entfernt sein: Die Rückkehr zum Mond, die vor sechs Jahren Obamas Amtsvorgänger Bush junior ausgerufen hatte (man beachte die kritischen Bemerkungen dieses Autors damals …), war schon vor Jahren und noch während dessen Amtszeit gescheitert. Obwohl bis heute rund 9 Milliarden Dollar in dieses Constellation genannte Programm gesteckt worden waren, lag die Entwicklung der Ares-Raketen und der anderen Hardware weit hinter dem Zeitplan, von technischen Problemen ganz zu schweigen.

Daran änderte auch der kurze Testflug einer rudimentären Ares letztes Jahr nichts. Insbesondere hatten es weder Bush noch der in Finanzdingen entscheidende US-Kongress seit 2004 für nötig gehalten, das Budget der NASA angemessen anzuheben: Apollo 2.0, wie Constellation gern genannt wurde, hatte von Anfang an keine Chance. Vergangenen Sommer dann zog ein vom neuen Präsidenten eingesetztes Komitee gewissermaßen die Notbremse: Schwarz auf Weiß konnte man im „Augustine-Report“ nachlesen, dass Constellation in der aktuellen Finanzlage nicht nur das einstige Zieljahr 2020 für die bemannte Rückkehr zum Mond verpassen würde. Vielmehr sei dies auch bis 2030 nicht zu schaffen, außer der NASA-Etat steige um gleich 3 Milliarden Dollar jedes Jahr. Ohne eine Budget-Erhöhung sei hingegen ein Verlassen des niedrigen Erdorbits de facto unmöglich.

Der Bericht zeigte dann einige Szenarien auf, wie man stattdessen verfahren könnte – und Obama hat sich, nicht unerwartet, für die drastischste, riskanteste aber auch aufregendste Lösung entschieden. Das glücklose Constellation-Programm wird abgebrochen, was erst einmal weitere 2 ½ Milliarden Dollar kostet, um es ordentlich abzuwickeln. Für bemannte Raumfahrt bis in den Orbit nach dem Ende der Shuttle-Flüge noch in diesem Kalenderjahr oder spätestens 2011 sollen künftig allein kommerzielle Anbieter sorgen, die massiv gefördert werden (inklusive des geheimnisvollen „Blue Origins“-Projekts des Amazon-Gründers übrigens). Und umfangreiche Mittel werden auch in die jahrelang vernachlässigte Technologie-Forschung gesteckt, um den späteren Aufbruch ins Sonnensystem letztendlich viel rasanter angehen zu können als mit herkömmlicher Technik. Immer wieder ist vom „game-changing“ Innovationen die Rede, die indes nie genauer benannt werden.

Zwar soll der Haushalt in den kommenden fünf Jahren um 6 Milliarden Euro auf zusammen rund 100 Mrd.$ wachsen und das Ausland verstärkt einbezogen werden, aber vieles bleibt auch nach einem Schwall von Dokumenten und gleich fünf Presse- und Telefonkonferenzen gestern und heute bedauerlich vage. Kann man technologische Durchbrüche einfach so erkaufen? Bekommt die US-Raumfahrtindustrie rasch überzeugende bemannte Transportvehikel hin? (Dafür spricht, dass schon lange sämtliche unbemannten Regierungsmissionen, z.T. Milliarden Dollar teuer, auf eingekauften Raketen starten.) Und zu welchen Zielen wird der nun eingeschlagene „flexible Weg“ den Menschen jenseits des LEO – wo zunächst einmal der Betrieb der ISS bis mindestens 2020 verlängert wird – führen und wann? Noch ist auch der Widerstand der Constellation-Fans im Kongress ist erheblich: Wo die US-Raumfahrt in zehn, zwanzig Jahren stehen wird, ist völlig offen. Aber vielleicht haben wir gerade den Anbruch eines neuen Zeitalters erlebt.

Konkrete Auswirkungen des neuen Kurses für die nahe Zukunft beginnen sich jedenfalls abzuzeichnen. So scheint nun sicher, dass die NASA die eine Sonde, die Solar Probe Plus, ganz dicht an die Sonne heran schicken wird, es soll – für 3 Mrd.$ in den nächsten 5 Jahren! – weitere „Precursor“-Missionen im Sonnensystem geben, um irgendwann doch jemand dorthin schicken zu können (so ist etwa ein ferngesteuerter Mondrover mit Live-Videoübertragung geplant). Und die bislang 4 Mio.$, die die NASA alljährlich in die Jagd auf erdnahe Kleinplaneten (NEAs) investiert, werden um 16 Mio.$/Jahr aufgestockt. Laufende Suchprogramme mit Teleskopen auf der Erde werden damit ausgebaut, das existentiell bedrohte Radioteleskop von Arecibo unterstützt, das sich um Detailbeobachtungen verdient macht, und die Jagd speziell mit dem neuen WISE-Satelliten verschärft, der schon mehrere NEAs gefunden hat: Da wird wohl auch der fieseste Obama-Feind nichts dagegen haben können.

Jede Menge Links zum NASA-Budget und -Kurswechsel im grünen Kasten des Cosmic Mirror #334 – und Nat’l Academies und UMD Releases und Artikel von Centauri Dreams und The Space Review zu einer großen Asteroiden-Studie, die gerade erst vor wenigen Tagen viel mehr NASA-Einsatz bei der NEA-Jagd angemahnt hatte.

Gigantische Radarkarte vom Südpol des Mondes veröffentlicht

7. Juli 2009

mondradar
Kurz vor dem 40. Jahrestag von Apollo 11 – der auch schon etliche Schatten vorauswirft – hagelt es geradezu spektakuläre Mondbilder, und sie werden immer größer: Anklicken der Abbildung oben fördert ein Mosaik aus 25 Planquadraten zutage, und Anklicken eines jeden Quadrats liefert dann ein rund 150 MB großes Bild mit 12’000 x 12’000 Pixeln (das man besser lokal speichern sollte). Diesmal war keine Raumsonde beteiligt, und es handelt sich auch nicht um optische Bilder: Vielmehr ist es eine Radarkarte von Arecibo und Green Bank mit 20 Metern/Pixel. Die Schüssel auf Puerto Rico schickte Radarimpulse im S-Band (12.6 cm) zum Mond, das Green Bank Telescope in West Virginia (siehe Artikel 115) fing sie auf. (Siehe auch hier zu einer anderen Radarkarte von Goldstone.) Auch neu: ein Nachruf auf Kaguya mit vielen Videos (aber ohne Wasserfund am Südpol) und indische Aussagen zum nächsten Chandrayaan.