Posts Tagged ‘THEMIS’

Nachrichten vom Mond kompakt

19. August 2010

Der Mond ist um 200 Meter geschrumpft – und noch kein Ende in Sicht

Die Abkühlung des Mondes seit seiner Entstehung geht mit einem geringfügigen Verlust an Durchmesser einher, der sich durch tektonische Verwerfungen auf seiner Oberfläche bemerkbar macht: Bisher kannte man nur wenige solcher „lobate scarps“ (wörtlich: gelappte Böschungen), aber die Kamera des Lunar Reconnaissance Orbiter hat nun 14 weitere entdeckt und sie nun auf dem gesamten Körper nachgewiesen. Viel größere lobate scarps kennt man vom Merkur, der im Rahmen seiner Abkühlung gleich um Kilometer kleiner geworden ist – beim Mond dagegen spricht das scarp-Muster für einen Durchmesserverlust um gerade einmal 200 Meter.

Allerdings passierte das nicht schon in der fernen Vergangenheit: Die scarps sind so frisch und kraterarm, dass sie in den letzten 800 Mio. Jahren entstanden sein dürften. Und die Schrumpfung dürfte noch immer andauern, wenn sie auch mit abnehmender Restwärme des Mondes ständig langsamer wird und irgendwann ganz zum Erliegen kommt. Von der Erde aus nachweisen kann man den winzigen Effekt wohl gar nicht, aber er zeigt doch, dass der Mond geologisch gesehen noch ‚lebt‘. (NASA Telecon, Visuals, Press Release, Air & Space Blog, Scientific American, New Scientist, Telegraph 19.8.2010) NACHTRAG: wer sonst noch im Sonnensystem schrumpft.

Ein natürlicher Mondkrater, der höchstens 38 Jahre alt ist, findet sich auf einer LRO-Aufnahme: Zu Apollo-Zeiten (konkret: als Apollo 15 vorbei kam) war an dieser Stelle eindeutig noch nichts, und weit und breit ist kein – bekanntes – Stück Mondhardware eingeschlagen, der alle bisher vom LRO entdeckten neuen Krater zuzuschreiben sind. (Planetary Society Blog 27.7., LSI News 3.8.2010. Auch Details des Kraters Bhabha in schräger Sicht, Nature zur Datierung mit Mondkratern und LRO-Bilder eines Mond-Vulkans sowie von Löchern, die nun auch im Schrägblick untersucht werden sollen. Neue LRO-Datenprodukte auch von Diviner und Mini-RF)

Indizien für ein – moderat – feuchtes wie ein sehr trockenes Inneres des Mondes

sind kurz nacheinander veröffentlicht worden, basierend auf Untersuchungen von Mondgestein mit neuartigen Techniken: Ein klares Bild ergibt sich daraus nicht. Erst wurden Fluor, Chlor und das Hydroxyl-Ion OH- in Apatit (Kalziumphosphat) von einer Apollo-15-Probe („Tatsächlich Wasser …“) und einem Mondmeteoriten und Wasserstoff/OH-, Chlor und Schwefel in Apatit in einem Apollo-14-Stein gefunden, die im letzteren Fall auf Mengenanteile flüchtiger Substanzen (Wasser inklusive) wie in irdischem Magma hinwiesen – aber dann wurden in anderem Mondgestein stark schwankende Isotopenverhältnisse von Chlor entdeckt. Die Anwesenheit von Wasser hätte dies vermutlich verhindert, da das Chlor mit dem Wasserstoff eine Verbindung eingegangen wäre, sich so aber an Metalle halten musste; das führt zu anderen Entweich-Verhältnissen. Vielleicht haben beide Studien recht, und das Mondinnere ist sehr uneinheitlich: Um das zu klären, müssen noch viel mehr Mondproben untersucht werden. (Boyce & al., Nature 466 [22.7.2010] 466-9; PSRD 1., Caltech, Univ. TN Releases 21.7., Univ. of NM, LANL Releases 5.8.2010; Science News „28.“, Sky & Tel. 11., Nature 6., Scientific American 5.8.2010. Und Universe Today zum weiter konfusen lunaren „Wasserzyklus“ auf der Oberfläche)

Der erste Nachweis von Graphit auf dem Mond – teilweise in Gestalt sogenannter Whiskers – ist in einer Probe von Apollo 17 gelungen: Entweder brachte die der Impaktor mit, der das Mare Serenitatis schuf, oder sie kondensierten aus der Dampfwolke nach dem Einschlag. Auf jeden Fall scheint kohlenstoffhaltiges Material aus der Zeit des Late Heavy Bombardement noch auf dem Mond zu existieren. (Steele & al., Science 329 [2.7.2010] 51; JPL Release, Scientific American 1.7.2010)

Russischer Lander mit indischem Mini-Rover auf Chandrayaan-2

Nach gewisser Verwirrung scheint nun klar zu sein, dass die nächste indische Mondsonde („Der Bau von …“) nur einen Rover mitführen wird, und zwar einen selbst gebauten – aber abgesetzt wird er mit einem russischen Lander. Mit einer Masse von 15 kg ist der indische Rover ein Winzling, verglichen mit den russischen Lunochods (750 kg), aber für ein paar Instrumente reicht’s (während auf dem Lander bis zu 10 russische Instrumente, z.T. entwickelt im Rahmen von Fobos-Grunt, installiert werden könnten). Ungefähr zur selben Zeit – Anfang 2013 – soll auch im Rahmen der 3. chinesischen Mondmission Chang’e 3 („Ergebnisse …“) ein Rover abgesetzt werden: Hier zeichnet sich ein interessanter Wettlauf ab. (Parallel Spirals, Deccan Chronicle 15., BBC 13., Parallel Spirals 5., Ministry of Science and Technology PR 4.8., The Hindu 27.7.2010. Auch: Lunar Networks und Xinhua zu Ergebnissen von Chang’e und NASA und Parallel Spirals zu Ergebnissen von Chandrayaan-1 – und Current Science zu Unmut über dessen Datenpolitik …) NACHTRAG: Ein spanisches Blog hat Bilder des Landers. NACHTRAG 2: Warum kein russischer Rover mehr? Spekulationen … NACHTRAG 3: die Nutzlast von Chandrayaan-2 – erwartungsgemäß diesmal alles Made in India auf Orbiter & Rover. NACHTRAG 4: doch ein 30- bis 100-kg-Rover möglich, sagen die Russen. NACHTRAG 5: Der Orbiter wird tiefer fliegen als Chandrayaan-1.

Konsequenzen für den Google Lunar X-Prize werden möglicherweise die indischen und chinesischen Mondrover haben: Die Regularieren für den Wettbewerb, bei dem ein zu 90% privat finanzierter Mondrover abgesetzt werden soll, um dann bestimmte Aufgaben zu erfüllen, werden vermutlich verschärft. Sollte nämlich einer der Regierungs-Rover dem ersten privaten zuvor kommen, dann gibt’s ein geringeres Preisgeld – dafür wird aber gleichzeitig die Deadline entschärft. (Asia Times 12.8.2010)

Erste Artemis-Sonde (Ex-THEMIS) bald im Mondorbit: Diesen Monat und im Oktober sollen die beiden umgeleiteten Erdorbiter in Umlaufbahnen um den Mond eintreten („Die beiden …“); bis nächsten April müssen die Bahnen noch angepasst werden. Dann kann die neue Mission „Acceleration Reconnection and Turbulence and Electrodynamics of the Moon’s Interaction with the Sun“ beginnen, deren Finanzierung zwar noch nicht steht aber als ausgemacht gilt. (Discovery 27., New Scientist Blog 29., Lunar Networks 30.7., DLF 6.8.2010. Auch: JPL Release zum Bau der GRAIL-Mondorbiter) NACHTRAG: ARTEMIS-P1 ist am 25.8. im Orbit angekommen! NACHTRAG 2: Nee, nicht wirklich!

Nachrichten von Kleinplaneten kompakt

8. Juni 2010

Rosettas Ziel Lutetia ein kosmischer 125-km-Camembert

So beschreibt jedenfalls eine große Schar von Autoren – von 19 verschiedenen Institutionen – den Kleinplaneten Nr. 21, der nach dem antiken Namen von Paris benannt ist und an dem die Kometensonde Rosetta am 10. Juli vorbei fliegen wird. Schon lange ist Lutetia Gegenstand von irdischen Beobachtungen („Nächstes Rosetta-Ziel“); diesmal wurden zahlreiche Lichtkurven sowie 324 Aufnahmen mit Adaptiver Optik an den Keck-Teleskopen und dem VLT analysiert, von denen hier eine Auswahl zu sehen ist. Die Gestalt des von mehreren großen Impaktkratern mitgenommenen Asteroiden ist „well described by a wedge of Camembert cheese (justifying the Parisian name of Lutetia)“, heißt es in der Analyse, nach der der mittlere Durchmesser 105±5 km beträgt und Lutetia etwa 124 x 101 x grob 93 km groß ist. Die Rotationsachse liegt dabei – wie beim Uranus – praktisch in der Bahnebene (Neigung 95°), so dass die lutetischen Jahreszeiten extrem sind und wir über die Ausdehnung entlang der Rotationsachse nur wenig wissen: Derzeit scheint die Sonne steil auf die Nordhalbkugel, und jenseits von 35° Süd herrscht Polarnacht.

Rosetta sollte aber mit dem MIRO-Instrument auch die derzeitige Nachtseite im IR glimmen sehen – und weitere erdgebundene Beobachtungen sind im Juli 2011 sinnvoll, um die Volumenbestimmung aus anderer Perspektive abschließen zu können. Erst dann wird sich nämlich die Massenbestimmung Lutetias durch ihren bald zu messenden Einfluss auf Rosettas Bahn auch in eine exakte Dichte umrechnen lassen. (Carry & al., Preprint 28.5., BBC Blog 8.6.2010; das Rosetta-Blog der ESA ist schon wieder erwacht) NACHTRAG: Und die ESA behauptet, niemand wisse, wie Lutetia aussieht – während das IMCCE ein Shape Model rotieren lässt … NACHTRAG 2: Nach einer Beschwerde dieses Blogger via Twitter hat die ESA den o.g. Press Release korrigiert – zum Vergleich der Originaltext vom 15. Juni! Statt „no one knows what it looks like“ steht da jetzt: „Although recent high resolution ground-based images have given some idea of the overall shape of Lutetia, we have no idea what it looks like in detail.“ Inzwischen hat Rosetta übrigens Lutetia bereits im Blick, allerdings nur als Lichtpunkt.

Ab 600 km Durchmesser wird ein felsiger Asteroid rund durch seine eigene Schwerkraft und ein Eismond eines äußeren Planeten ab 400 km: Dieser schon lange bekannte Beobachtungsbefund lässt sich auch ‚aus ersten Prinzipien‘ herleiten. Und hat nun zu der Forderung geführt, dass die Grenze zwischen Kleinplaneten und Zwergplaneten bereits kategorisch hier, an der Demarkation „zwischen Kartoffel und Kugel“, gezogen werden sollte: Damit würde auch die Zahl der letzteren gewaltig anschwellen. (Lineweaver & Norman, Preprint 7.4.2010) NACHTRAG: Dieses neue 700-km-KBO wäre dann auch ein Kandidat.

Hayabusa bereits auf Australien-Kurs, morgen letzte Korrektur

Seit am Wochenende auch die 3. Bahnkorrektur gelang, zeigt die Bahn der zurückkehrenden Asteroidensonde („Hayabusa …“) nicht mehr an der Erde vorbei sondern auf Australien – und das letzte TCM am 9. Juni wird den Eintritt von Mutterschiff und Probenkapsel am 13. Juni vorbereiten, dem die japanische Öffentlichkeit inzwischen entgegenfiebert. Während gleichzeitig gerade – etwas verspätet – die Entfaltung des Sonnensegels von IKAROS stattfinden sollte: In Sachen kühne Weltraumexperimente ist Japan im Augenblick nicht zu schlagen … (JAXA Tweet 8., JAXA Release 5.6.2010; AFP, Daily Yomiuri, Planetary Society Blog, Space Today 8., BBC, Space.com, Adelaide Now, Planetary Society Blog 7., Sky News Oz, Moon, Mars & Beyond 6.6.2010)

Asteroidensonde Dawn schaffte größte Geschwindigkeitsänderung im All: Dank ihres unermüdlich arbeitenden Ionentriebwerks hat der künftige Vesta- und Ceres-Orbiter („Dawns Orbit …“) bis zum 5. Juni 4.3 km/s Beschleunigung aufsummiert und damit die erste Raumsonde mit Ionenantrieb überhaupt abgehängt, Deep Space 1. 620 Tage war Dawns Triebwerk insgesamt im Betrieb und verbrauchte dabei nicht einmal 165 kg Xenon. (JPL Release 7., Eureka 8.6.2010)

WISE hat bereits über 60’000 Asteroiden beobachtet

und davon etwa 11’000 neu entdeckt, wovon wiederum etwa 50 Near Earth Objects sind: Das ist die Bilanz der ersten 960’000 Bilder des Wide-field Infrared Survey Explorer, der im Juli seine erste Himmelsdurchmusterung abgeschlossen haben wird. Einige der Asteroiden (der genaue Anteil wird noch nicht verraten) sind sehr dunkel und daher im IR besser als im Sichtbaren zu sehen – noch ist WISE allerdings auf keinen gestoßen, der so dunkel wäre, dass man ihn im sichtbaren Licht überhaupt nicht gefunden haben könnte. Auch schon gesehen hat WISE etwa 800 Jupiter-Trojaner, die er besonders systematisch erfasst, und 72 Kometen, davon ein Dutzend seine Entdeckungen. Das Kühlmittel aus festem Wasserstoff sollte noch für eine halbe weitere Himmelsdurchmusterung reichen, danach wird WISE vermutlich abgeschaltet: Beantragte drei Monate weitere Beobachtungen in warmem Zustand hält die NASA für nicht sinnvoll genug, um die dafür nötigen 6.5 Mio.$ zu rechtfertigen. (Nature News 6., Space News 11., JPL Release, Space.com 24., Centauri Dreams 26., Planetary Society Blog 28.5.2010)

Erdnaher „Asteroid“ wohl ein altes Raumfahrt-Relikt: Der am 16. Mai von der Catalina Sky Survey entdeckte 2001 KQ war der Erde im Jahr 1975 sehr nahe und beschreibt eine so erdähnliche Bahn um die Sonne, dass es sich eigentlich nur um einen künstlichen Himmelskörper handeln kann – den eindeutig zu identifizieren allerdings noch nicht gelungen ist. Vermutlich ist es eine Raketenoberstufe, die eine Nutzlast auf eine sehr hohe oder interplanetare Bahn gebracht hatte. (LCOGT Blog 26., JPL Release, Transient Sky, Eureka 27.5., Discovery 3.6.2010)

Auch organische Substanzen im Eis auf dem Asteroiden Themis

Dass die gesamte Oberfläche von (24) Themis überraschend von Wassereis bedeckt ist, wurde hier schon vor längerer Zeit berichtet („Gefrorenes Wasser …“) – aber in den Spektren zweier unabhängiger Teams sind überdies noch Strukturen zu erkennen, die durch Beimischung organischer Verbindungen erklärt werden können. Wie verbreitet vereiste Hauptgürtelasteroiden – deren Beschichtung aus dem Inneren nachgeliefert werden muss, sonst würde sie sich nicht halten – wohl sind, weiß man nicht, aber hier dürften jene flüchtigen Bestandteile, die einst auf die junge Erde regneten (Wasser inklusive), noch in recht reiner Form vorzufinden sein. Und die Erforschung der – wohl mit Themis verwandten („‚Hauptgürtel-Kometen‘ …“) – Kometen im Hauptgürtel auch durch Raumsonden wird noch reizvoller. (Campins & al., Nature 464 [29.4.2010] 1230-1, Rivkin & Emery, ibid. 1232-3, Hsieh, ibid. 1286-7; UCF, JPL, UTN Releases, Nature News, Scientific American, Science News 28., Space Today 29.4.2010)

Wenn Polarlichter kollidieren: neues Phänomen „Abfallprodukt“ der Satellitenmission THEMIS

20. Dezember 2009

Um die Messungen der fünf THEMIS-Sateliten zur Erforschung der Polarlichter (siehe ISAN 34-3) in Beziehung zu deren Anblick am Himmel setzen zu können, war in Alaska und Kanada ein großes Netzwerk von Weitwinkelkameras installiert worden, deren Filme – mit einiger Mühe – zu einem großräumigen Ganzen zusammengefügt werden können, wie es kein einzelner Beobachter je überblicken würde. Bei der Auswertung derartiger Kompositvideos (wie hier vom 29.2.2008) ist ein bisher unbekanntes Phänomen entdeckt worden, bei dem einzelne Polarlichter gewissermaßen zusammenstoßen und es erst recht hell wird. Das scheint mit Vorgängen im Plasmaschweif der Erde – einer Art schneller Strömung geringerer Dichte – zusammen zu hängen, die besagte THEMIS-Satelliten wie auch spezielle Radaranlagen auch direkt messen. NASA Release [Science@NASA], Space.com, Universe Today.

Aeronomy of Ice in the Mesosphere: 5 Saisons Leuchtende Nachtwolken

hat der NASA-Satellit AIM (siehe ISAN 39-2) bereits beobachtet und das „Wettergeschehen“ der Polaren Mesosphärischen Wolken dokumentiert. Die Temperatur scheint ein wesentlicher Faktor zur Entstehung dieser Wolken in 80 km Höhe zu sein, die jeweils im Sommer – Nord wie Süd – zu spektakulären Himmelsschauspielen führen können, aber die Rolle der diversen Faktoren wie der Luftfeuchtigkeit bekommt man gerade erst in den Griff. (NASA Release 15.12.2009) NACHTRAG: noch ein später deutscher Beitrag dazu. NACHTRAG 2: pretty pictures von angeblich immer helleren NLCs.

Weltraumforschung kompakt

5. November 2009

GRB mit z>8 unterscheidet sich kaum von näheren

Mit einer gemessenen Rotverschiebung von z=8.1 bis 8.3 (genauer geben’s die Spektren des Nachglühens nicht her) ist der GRB 090423 (siehe ISAN 84-2) erheblich weiter weg als die bisherigen Rekordhalter mit spektroskopisch einwandfreier Rotverschiebung, eine Galaxie mit z=7.0, ein GRB mit z=6.7 und ein Quasar mit z=6.5: Wir sehen ihn nur etwas mehr als 600 Mio. Jahre nach dem Urknall, als der Kosmos gerade 4% seines heutigen Alters hatte. Trotzdem unterscheidet sich dieser Gamma Burst so wenig von seinen näheren = jüngeren Verwandten, dass es keinen Grund zu der Annahme gibt, hier sei womöglich ein Stern der Population III explodiert. (Chandra & al., Preprint 22., NRAO Release 28.10.2009, Tanvir & al./Salvaterra & al./Zhang, Nature 461 [29.10.2009] 1254-60/1221-2)

Eine Supernova mit 15’500 km/s Expansionsgeschwindigkeit war SN 2007gi: Solcherlei Sternexplosionen des Typs Ia steigen auch schneller zu ihrer maximalen Helligkeit an. (Zhang & al., Preprint 10.10.2009)

Das Neutrinoteleskop MiniBooNE sah keine Supernova-Neutrinos zwischen 2004 und 2008: Daraus folgt eine Obergrenze von 0.7 Kernkollaps-SNe pro Jahre bis 13.5 kpc Entfernung. (Collaboration, Preprint 16.10.2009)

Neue Radiodurchmusterung im neutralen Wasserstoff

Von 5°S bis zum Nordpol reicht die Effelsberg-Bonn HI Survey (EBHIS), bei der Radiostörungen größtenteils eliminiert werden konnten und die „a cornerstone for multi-frequency astrophysics“ werden soll. (Kerp & al., Preprint 8.10.2009. Mehr Durchmusterungen: Kalberla & al. Preprint 30.10.2009)

Und wieder eine neue Massen- und Entfernungsbestimmung von Sgr A*, der Zentralmasse unserer Milchstraße, mit Hilfe des Sterns „S2“ (siehe Artikel 680) und anderer in nahen Orbits: Die Kombination ihrer Verfolgungen durch die beiden konkurrierenden europäischen und amerikanischen Astronomengruppen liefert jetzt 4.3±0.4 Mio. Sonnenmassen und 8.3±0.3 kpc = 27’000±1000 Lichtjahre. (Gillessen & al., Preprint 16.10.2009)

Begann die Verfinsterung von Epsilon Aurigae verspätet?

Ungefähr „ein Dutzend Tage“ verspätet hat nach einer Auswertung der Lichtkurve die Verfinsterung von Epsilon Aurigae begonnen, was zu einem Schrumpfen des F-Überriesen passen würde. Inzwischen liegt die Helligkeit mit 3.4 mag. ziemlich genau zwischen dem Normalwert und dem Minimum, das gegen Ende Dezember erreicht werden dürfte. Derzeit laufen u.a. auch interferometrische Beobachtungen des seltenen Ereignisses. (Astronomer’s Telegram #2224 2., Citizen Sky 3., 10., 23., AAVSO Alert #410 29.10.2009)

Extremer Ausbruch eines LBV-Sterns in der LMC: R71 ist die vergangenen fünf Jahre kontinuierlich angestiegen und jetzt der hellste Stern in der Großen Magellanschen Wolke im sichtbaren Licht – ein „extremer Ausbruch“. (IAUC #9082 14.10.2009)

Hunderte Planetarische Nebel sind noch der Digital Sky Survey

zu entdecken, wenn man nur richtig sucht – schließlich müsste es in der Galaxis etwa 25’000 dieser Sternüberreste geben, während erst 3000 katalogisiert sind. (Jacoby & al., Preprint 5.10.2009)

Pulsationen von Chi Cygni mit optischem Interferometer verfolgt: IOTA sah den Mirastern mit einem mittleren Durchmesser von 12 und einer Amplitude von 5 Millibogensekunden; auch die Randverdunklung und andere Eigenschaften schwankten mit der Pulsation. (Lacour & al., Preprint 20.10.2009) NACHTRAG: Monate später ein CfA Press Release dazu. NACHTRAG 2: und noch einen Monat später ein Space.com-Artikel …

Die erste genaue Parallaxen-Messung bei einem Schwarz-Loch-Kandidaten

ist mit Radio-VLBI an V404 Cygni gelungen: 0.42±0.02 Millibogensekunden. Die resultierende Entfernung von 2.4 kpc ist viel geringer als bisher angenommen. (Miller-Jones & al., Preprint 27.10.2009) NACHTRAG: Monate später hat’s jemand mitbekommen.

Die ersten Aufnahmen von Helium in der Sonnenkorona sind im September mit dem Sounding-rocket Coronagraphic Experiment (SCORE) auf einer NASA-Höhenrakete gelungen – ein ähnliches Instrument soll dereinst auf dem Solar Orbiter fliegen. (ASI Release 28.9.2009)

Schon wieder „Precovery“-Bilder der Planeten von HR 8799

Einer der drei 2008 entdeckten Planeten des Sterns war schon ein Jahrzehnt früher in anderen Bildern vorhanden gewesen – und jetzt sind gar alle drei nachträglich auf Keck-Bildern im H-Band mit Adaptiver Optik von 2007 aufgespürt worden. (Metchev & al., Preprint 6.10.2009)

Noch eine Jagd nach möglichen Planeten von Alpha Centauri ist eröffnet (vgl. einen UCSC Release und diesen, diesen, diesen, diesen und ganz frisch diesen Artikel): diesmal auf Neuseeland, wo der Doppelstern von 44°S aus das ganze Jahr lang zu sehen ist. Was die Analyse der Reihen von Spektren erleichtern mag. (Cosmic Diary 22.10.2009)

Von wegen Eiskugel: Kuiperoid Quaoar ist dichter als Fels

Hubble-Beobachtungen des großen Kuipergürtelobjekts Quaoar und seines Mondes Weywoot haben gezeigt, dass ersteres nur 900 km groß und damit dichter als sogar Felsen ist – zum üblichen Bild des Kuipergürtels als Hort großer und kleiner Eisbrocken passt das nicht. Ist Quaoar aus dem inneren Sonnensystem entlaufen oder das Opfer eines gewaltigen Zusammenstoßes gewesen? (Scientific American 13., Science Blogs 15.10.2009) NACHTRAG: Im März 2010 gab’s auch ein detailliertes Paper dazu.

Hubble-Daten auch vom Orcus-Vanth-System: Bei keinem Kuiperoid mit Begleiter ist dieser relativ zum Hauptkörper so groß. Eindeutig sind die Messungen nicht: Zwischen 900 und 280 bzw. 820 und 640 km ist für das Paar alles drin, je nachdem ob Vanths Albedo so große wie Orcus‘ oder nur halb so groß ist. Entsprechend kann auch das Massenverhältnis zwischen 33:1 und 2:1 liegen. (Brown & al., Preprint 26.10.2009)

Ist der Merkur aus der Venus (oder der Erde) entstanden?

Das klingt verrückt, aber in der gewalttätigen Frühzeit des Sonnensystems mag so manches möglich gewesen sein: Die Erde hat z.B. nur deswegen einen Mond, weil ein gewaltiger Impaktor sie streifend traf – bei einem Volltreffer wäre das ‚Baumaterial‘ weggespritzt und hätte sich nicht im Orbit sammeln können. Und wer weiß: Vielleicht ist der Merkur genau auf diese Weise entstanden, als fehlgeschlagener ‚Versuch‘ der Entstehung eines Venus- oder 2. Erdmondes? Auf der Weltplanetentagung in Puerto Rico wurde diese Möglichkeit im Oktober jedenfalls ernsthaft diskutiert. (Scientific American 8.10.2009)

„Zwischenfall“ im Saturnsystem vor 25 Jahren: Wie Beobachtungen während der aktuellen Kantenstellung nahelegen, befindet sich der D-Ring nicht exakt in der Äquatorebene des Planeten – da es schwierig ist, ihn als ganzes zu kippen, könnte stattdessen eine Massenumlagerung im Saturninneren seine Rotationsachse etwas verschoben haben. Nach einem plausiblen Szenario – irgendeiner Art – wird aber noch gesucht. (New Scientist 14.10.2009)

Gefrorenes Wasser auf der ganzen Oberfläche von (24) Themis

Zum zweiten Mal ist – wahrscheinlich – Eis auf der Oberfläche des Asteroiden Themis nachgewiesen worden, diesmal großflächig über sie verteilt: Es müsste in Themis‘ Sonnenabstand eigentlich längst sublimiert sein, so dass eine ständige Quelle erforderlich ist. Vielleicht befindet sich ein großer Vorrat unter der Oberfläche und wird bei Impakten immer wieder freigelegt? Ähnlich könnten die Hauptgürtel-Kometen „funktionieren“. (Science News 8., New Scientist 12.10.2009) NACHTRAG: Im April 2010 stand’s dann in Nature.

Raumfahrt kurz & bündig

29. Oktober 2009

Von THEMIS zu Artemis: 2 Mondorbiter quasi für lau

genehmigt sich die NASA, indem die beiden äußeren der 5 Satelliten der THEMIS-Konstellation (siehe ISAN 34-3) durch komplizierte Flugmanöver seit diesem Juli bis Herbst 2010 in Umlaufbahnen um den Mond bugsiert werden. Dort können sie dann die „Umwelt“ des Erdtrabanten erforschen, während die anderen drei weiter den erdnahen Raum erkunden. Die zwei auf den ausholenderen Bahnen wären dort in so tiefe Finsternisse geraten, dass sie dies nicht überlebt hätten – nun können sie sich am Mond nützlich machen! (365 Days of Astronomy 18.6., THEMIS News 20.7., DailyTech 20.10.2009)

Mars Reconnaissance Orbiter droht Totalausfall – Welle von Safe Modes gefährdet Computer

Bereits seit 9 Wochen ist der MRO in einem Safe Mode, schon dem vierten dieses Jahr, und die Ursache war immer ein – echtes oder auch nur ‚eingebildetes‘ – Spannungsproblem, dessen eigentliche Ursache bislang vergeblich gesucht wird. Beim Eintritt in diese eigentlich der Sicherheit des Satelliten dienenden Modi könnte es aber unter unglücklichen Umständen zu einer Komplettlöschung des Bordspeichers kommen: Der MRO würde dann ‚denken‘, er säße noch auf der Erde – und darauf warten, dass jemand den Einschaltknopf drückt. Dieses Horrorszenario gilt es durch behutsame Softwareänderungen zu beheben: Wann der MRO wieder seine Arbeit aufnehmen kann, ist noch völlig offen. (JPL Release 4.9., Arizona Daily Star 28., Planetary Society Blog 29.10.2009) NACHTRAG: ein Update der Lage.

Russland träumt wieder von einer Venus-Landung

Aber diesmal soll der Lander einen ganzen Tag auf der Oberfläche durchhalten und auf Venusbeben warten, aus denen man etwas über das Innenleben des Planeten lernen könnte. Venera D soll offiziell 2016 starten und die konkrete Entwicklung nächstes Jahr beginnen: Von der ursprünglichen Idee, einen ganzen Monat auszuhalten, ist man wieder abgerückt, stattdessen sind mehrere kleine Ballons als ‚Trostpreis‘ geplant. (BBC 7.10.2009)

Mission von CoRoT bis 2013 verlängert

Wegen seiner großen Erfolge bei der Asteroseismologie und Exoplanetensuche (7 bestätigte Entdeckunge, darunter – siehe z.B. ISAN 94-9 – eine Reihe Extremfälle) haben die französische Weltraumbehörde CNES und ihre europäischen Partner am 23.10. die Verlängerung der Mission (siehe ISAN 34-2) um 3 Jahre bis zum 31. März 2013 beschlossen. Neue Typen von Sternen können nun in das Seismologieprogramm aufgenommen und die Jagd auf heiße Supererden verschärft werden. (ESA Release 28.10.2009. Auch ein A&A Press Release 22.10.2009 zu einem Sonderheft mit 55 CoRoT-Papers. Und Konkurrent Kepler soll Bildprobleme haben)

Hydrologie-Satellit SMOS der ESA vor dem Start

Am 2. November um 2:50 MEZ soll er auf einer Rockot-KM in Plesetsk starten: Soil Moisture & Ocean Salinity, ein ESA-Satellit des „Living Planet“-Programms, der mit einem einzigen Instrument, dem interferometrischen Mikrowellenradiometer MIRAS bei 1.4 GHz Emission von Wasser auffangen soll – daraus können die Bodenfeuchte und der Salzgehalt der Meere global bestimmt werden. Ein wichtiger Schritt zum besseren Verständnis des Wasserkreislaufs der Erde, wo noch viel zu tun ist – siehe z.B. Artikel C54 zu Messungen über das Erdschwerefeld. (ESA-Artikelpaket in Deutsch 29.10.2009)